zum Hauptinhalt

Meinung: „Wenn wir den Terror …

wirkungsvoll bekämpfen wollen, müssen wir in Echtzeit handeln“. Die Bezeichnung „Untersuchungsrichter“ klingt eigentlich zu schwach.

Von Frank Jansen

wirkungsvoll bekämpfen wollen, müssen wir in Echtzeit handeln“.

Die Bezeichnung „Untersuchungsrichter“ klingt eigentlich zu schwach. Eher schon könnte man Jean-Louis Bruguière eine „Legende mit Vollmacht“ nennen. Es gibt in Europa vermutlich keinen zweiten Terrorfahnder, der so viele Erfolge und eine nahezu unangreifbare, auch institutionelle Autorität vorweisen kann. Bruguière ist Vizepräsident des Pariser Gerichtshofes Tribunal de Grande Instance und leitet den Antiterrorkampf der französischen Strafverfolgungsbehörden – mit nahezu unbeschränkten Befugnissen und der Erfahrung von fast einem Vierteljahrhundert juristischer und kriminalistischer Praxis.

Bruguière jagt bereits seit 1981 militante Extremisten. 1994 gelang ihm die Festnahme des weltweit als Topterroristen gesuchten Venezolaners Illich Ramirez Sanchez alias „Carlos“. Seit diesem Triumph gilt Bruguière als Frankreichs Vorzeigefahnder. Inzwischen ist er sogar Offizier der Ehrenlegion. Ausländische Kollegen begegnen dem Mann Anfang 60 fast schon mit Ehrfurcht – wie am Donnerstag in Wiesbaden bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts zu der globalen Herausforderung durch die Netzwerke des islamistischen Terrors.

Beim Blick auf Bruguières Möglichkeiten werden die Experten des deutschen BKA neidisch. Der Untersuchungsrichter ermittelt nicht nur wie ein Staatsanwalt, er kann auch Durchsuchungen anordnen und Tatverdächtige einsperren lassen – vier Tage lang sogar ohne Haftbefehl. Und in seinem Feldzug gegen den Terror hat Bruguière nicht nur die Polizei an seiner Seite, sondern auch den Geheimdienst DST. Ein Trennungsgebot von Polizei und Nachrichtendiensten wie in Deutschland ist Frankreich fremd. Bruguière empfindet auch die deutschen Zustände als Bremse im gemeinsamen Kampf gegen den Terror. Deshalb rät er mit beinahe missionarischem Eifer, angesichts der enormen Bedrohung durch den islamistischen Terror institutionelle Hemmnisse abzubauen und die „operativen Methoden“ zu ändern.

Bruguière hat den deutschen Kollegen die Überlegenheit des französischen Modells demonstriert: Im Juni 2003 ließ er auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle den mutmaßlichen Al-Qaida-Mann Christian G. festnehmen. Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte vergeblich Haftbefehle gegen den Duisburger Konvertiten beantragt, der kurz vor dem Anschlag auf der tunesischen Ferieninsel Djerba im April 2002 ein mysteriöses Telefonat mit dem Selbstmordattentäter geführt hatte. Christian G. konnte unbehindert die Bundesrepublik in Richtung Saudi-Arabien verlassen. Als er zurückflog und seine Maschine vermutlich nicht ganz zufällig in Paris zwischenlandete, griff Bruguière zu. Christian G. wird nun in Paris vorgeworfen, sich an der Planung eines Anschlags auf der französischen Insel Réunion beteiligt zu haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false