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Meinung: Wer regiert mit wem?: Nimm drei!

Ja, natürlich. Die Lage ist kompliziert.

Ja, natürlich. Die Lage ist kompliziert. Viele Koalitionen sind in Berlin möglich, keine drängt sich auf. Aber es ist nicht die Aufgabe des Wählers, die Probleme der Parteien zu lösen. Er verteilt mit seinem Stimmzettel Quittungen für geleistete Arbeit oder offenkundiges Versagen. Bestenfalls stellt er noch einen Wechsel auf die Zukunft aus. Aber den Parteien die Arbeit abnehmen kann er nicht. Nur wählen, das sollte er. Selbst eine niedrige Wahlbeteiligung müsste eher zur Selbstprüfung der Politiker führen als zur Wählerbeschimpfung. Für Wahlverweigerung gibt es ja Gründe. Diesmal waren die Wähler fleißig, im Westen deutlich mehr als im Osten. Aber das Ergebnis einer Rechenaufgabe mit vielen Unbekannten - wer mit wem oder warum nicht? - konnten sie nun wirklich nicht ausknobeln. Doch ein paar, sich teilweise leider widersprechende Lösungsansätze, haben sie der Politik durchaus mitgegeben.

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt Wahlergebnisse: Direktmandate, Stimmenanteile und Sitzverteilung Foto-Tour: Bilder vom Wahlabend Da ist zum einen das Votum des Ostens der Stadt. Eine Ohrfeige für die CDU, die hier gerade noch ein Viertel so stark ist wie die PDS. Mindestens eine Kopfnuss aber auch für die SPD. Deren Westgewächs Klaus Wowereit hatte offensichtlich etwas zu bequem auf den Amtsbonus vertraut. Keine Mitstreiter aus dem Osten in der Mannschaft, und der PDS in den letzten zwei Wochen vor der Entscheidung das Feld im Straßenwahlkampf zu überlassen - das konnte nicht gut gehen. Die PDS ist eine, aus der SED entstandene, überalterte Partei - mit jungen und gut ausgebildeten Wählern. Das gibt zu denken. Da fand zusammen, was nicht zusammen passt. Im Osten der Stadt sucht man politische Hilfe bei den Alltagsproblemen weder bei der CDU noch bei der SPD, bei den kleinen Westimporten ohnedies nicht, sondern bei einem originären Ostgewächs - ob das dem größeren Rest der Stadt gefällt oder nicht.

Der größere Rest. West-Berlin. Der Niedergang der CDU kam einem Untergang sehr nahe. Bankenkrise, Vertrauensschwund, der falsche Kandidat, von Helmut Kohl ermuntert, von Angela Merkel nicht verhindert und von der West-Berliner Union in geradezu selbstzerstörerischer Blindheit auf den Schild gehoben - das hat schon die Dimension einer Tragödie. Mit der CDU auf keinen Fall, an diesem Wählervotum gibt es nichts zu rütteln. Wer gar meint, nach einer gescheiterten Ampel und einer Schamfrist sei schwarz-rot, um rot-rot zu vermeiden, doch noch eine Option, der schaue sich nicht nur die 52,4 Stimmenprozente dieser vermeintlich Großen Koalition an, sondern auch die Leute dahinter. In fünf Jahren geht das vielleicht, wenn Frank Steffel mit dem Besen durch die Union gegangen ist. Jetzt wäre es Wählerveralberung.

Also die rot-rote Option. Der Wahlsieger Ost mit dem Wahlsieger West. Gregor Gysi meint, alles andere käme einem Verzicht auf die innere Einheit der Stadt gleich. Aber die gilt es im Blick auf beide Hälften Berlins zu wahren. Und dieser Blick zeigt nicht nur die 48 Prozent der PDS im Ostteil, sondern auch deren marginale vier Prozente im klassischen Westen. So, wie der Marzahner mit der CDU nichts im Sinn hat, empfindet der Reinickendorfer die PDS als Strafe. Die Stadt ist gespalten, wie wahr. Aber ob man sie zusammenfügen kann durch ein rot-rotes Bündnis, das von 90 Prozent der SPD-Sympathisanten abgelehnt wird?

Bleibt die Ampel. Dafür haben am Sonntag 789 000 Berlinerinnen und Berliner gestimmt. Das sind 40 000 mehr, als zusammen für die PDS und die CDU an Stimmen abgegeben wurden. Das ist eine Mehrheit, wenn auch die der Mandate knapper ausfällt. Der Unterschied zwischen einer Straßenampel und einer politischen Ampel ist, dass bei der auf der Kreuzung in der Regel nur ein Licht leuchtet, während in der Politik alle drei gleichzeitig Farbe bekennen wollen. Das hält auf Dauer die beste Ampel nicht aus. Wo man es bislang versucht hat, ist es schief gegangen. Man kann eben nicht gleichzeitig "Stopp!" und "Los!" sagen.

Dennoch - einen Versuch ist es wert. Sicher ist, dass die FDP-Wähler rot-rot und rot-grün verhindern wollten. Sicher auch, dass die SPD-Wähler ihre Partei in der jetzigen Koalition halten wollten. Und die Grünen sind für ihren Einstieg in die Koalition nicht bestraft worden. Es wäre also ein Dreierbund mit des Wählers Segen. Das ist keine schlechte Basis.

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