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Meinung: Wer schmeißt denn da mit Lehm

„Die Lust am Lästern“ vom 8. Februar und „Können wir uns das leisten?

„Die Lust am Lästern“ vom 8. Februar

und „Können wir uns das leisten?“

vom 9. Februar

Die Ablehnung Berlins in Deutschland hat eine lange Tradition. Die Stadt war Mitte des 19. Jahrhunderts die mit Abstand größte in Deutschland und entwickelte sich rasch zu dem, was das föderal strukturierte Reich am meisten fürchtete: zu einer echten Metropole. Nirgendwo gab es so viele qualifizierte Fachkräfte aller Gewerbe. Hier entwickelte sich das europäische Zentrum der damaligen Schlüsselindustrien in Chemie und Elektrotechnik. Berlin war Sitz der größten deutschen Börse, Zentrum des mitteleuropäischen Handels und des kontinentaleuropäischen Eisenbahnnetzes. Ein großer Teil der damaligen wissenschaftlichen Elite lebte, lehrte und forschte an der Spree. Die Stadt übte eine ungeheure Anziehungskraft auf Künstler und Journalisten aus. Seit der Reichsgründung kamen zu den schon vorhandenen preußischen auch wichtige Reichsbehörden. Schon Bismarck wollte deshalb verschiedene Institutionen von der preußischen Hauptstadt fernhalten: Die Ansiedlung etwa des Reichsgerichtes in Leipzig war eine Folge. Der „verwegene Menschenschlag“ (Goethe) dieser Stadt wirkte auf die in kleinstaatlichen Verhältnissen lebenden anderen Deutschen fremd und anmaßend. Dazu kam auch noch das Nachtleben Berlins und die indifferente religiöse Haltung vieler Bewohner. Man verfluchte die Stadt als „Sündenbabel“ und suchte sie heimlich genau deshalb auf. Nach dem verbrecherischen Naziterror und der dadurch ermöglichten „roten Gefahr“ aus dem Osten kam es zu einem massenhaften Exodus hoch qualifizierter Fachkräfte in Richtung „Westdeutschland“, von dem vor allem das rückständige Bayern profitieren konnte. Angesichts des heutigen Wohlstands im Süden mit begründenden Technologieschubs sollten gewisse Politiker vielleicht etwas weniger lautstark gegen Berlin polemisieren.

Marcus Müller, Berlin-Steglitz

Helmut Schmidt lästert über den Neubau des Schlosses. Wenn der Bund es bezahlt und nicht die Berliner, dann wäre es ja ein Bundesschloss. Igittigitt! Dabei ist das eine prima Idee. Warum stellt man nicht jedem einzelnen Bundesland Räume zur Verfügung, in denen diese sich dauerhaft präsentieren können, auf dokumentarische, politische oder künstlerische Weise. Jeder Berlin-Besucher würde „sein“ Land besuchen und könnte in fruchtbare Dialoge mit den Machern treten. Das wäre ein Bundesschloss im besten Sinne.

Peter und Christel Heycke, Lübeck

Wir müssen uns das leisten und in unsere Baukultur investieren. Denn unsere Generation kann sich nicht inständig darauf verlassen, dass das baukulturelle Erbe der letzten Jahrhunderte fortwährend trägt und weiterhin für den nötigen Imagefaktor und die Standortattraktivität sorgt und touristische Nachfrage und Wohlbefinden garantiert. Wir können nicht von Paris, Rom, Havanna oder Schanghai schwärmen, wenn wir hier nicht bereit sind, adäquate Bauleistungen zu erbringen. Was wären unsere Städte, bestünden sie nur aus dem Bauerbe des 20. Jahrhunderts? Niemand würde für einige singuläre Bauleistungen ohne urban bereichernden Kontext unsere Städte besuchen wollen. Unsere Generation muss sich fragen: Was wollen und können wir als Ausdruck unserer Moderne künftigen Generationen hinterlassen, welche baukulturellen Leistungen sind tragfähig und bereichernd für die Zukunft. Stadt und Architektur müssen sich auch als Ereignis verstehen.

Werner Brunner, Berlin-Kreuzberg

Das Schloss war das städtebauliche Scharnier zwischen Museumsinsel und Unter den Linden – unbestreitbar die wichtigsten städtebaulichen Ensembles der deutschen Hauptstadt. Diese Leere in Berlins Mitte zu feiern, finde ich grotesk. Eine Bebauung von Berlins zentraler Brache in der Kubatur des ehemaligen Schlosses steht bei nahezu allen Fachleuten außer Frage. Ich hätte mir an dieser Stelle eine herausragende moderne Architektur gut vorstellen können, aber der Bundestag (nicht das Berliner Landesparlament!) hat aus nachvollziehbaren Gründen anders entschieden. Ich akzeptiere das und werde, um zu verhindern, dass eine weitere Berliner Halbherzigkeit entsteht, für die Schlossfassade spenden. Den Bau zum jetzigen Zeitpunkt nach all den Diskussionen noch ernsthaft infrage zu stellen, ist aberwitzig. Da aber zum einen das Konzept des Humboldt-Forums für viele nicht schlüssig ist und zum anderen eine neue Landesbibliothek wünschenswert, jedoch das finanzielle Risiko eines weiteren Großbauprojektes kaum zu rechtfertigen ist, plädiere ich für die Einrichtung der Landesbibliothek in dem geplanten Stella-Bau.

Carsten Meyer, Berlin-Prenzlauer Berg

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