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Meinung: „Wir müssen den Laizismus neu definieren“

Er labert nicht. Öffentliche Äußerungen des türkischen Parlamentspräsidenten sind wohl überlegt und meistens elegant formuliert.

Er labert nicht. Öffentliche Äußerungen des türkischen Parlamentspräsidenten sind wohl überlegt und meistens elegant formuliert. Der 58-jährige Anwalt aus dem nordwesttürkischen Bursa weiß, was er will. Und es sieht so aus, als wolle Bülent Arinc im nächsten Jahr Staatspräsident werden. Als glänzender Redner und führender Vertreter des islamistischen Flügels in der Regierungspartei AKP hat er gute Chancen auf das höchste Staatsamt.

Ein paar seiner Sätze zu einem heiklen Thema sorgen derzeit für Aufregung. Das Prinzip des Laizismus solle nicht in Frage gestellt, müsse aber neu definiert werden, sagte Arinc. Laizismus könne nicht darin bestehen, das soziale Leben der Menschen „in ein Gefängnis zu verwandeln“, sondern müsse bedeuten, dass der Staat die Glaubensfreiheit seiner Bürger respektiere. Jedem Türken war klar, was Arinc damit meinte: das Kopftuchverbot in staatlichen Institutionen.

Arinc richtete seine Äußerungen aber nicht so sehr an die AKP-Gegner in Staatsapparat und Armee, die das Kopftuchverbot zäh verteidigen. „Sein eigentliches Ziel war es, für das Präsidentenamt in Stellung zu gehen“, kommentierte eine Zeitung.

Die Präsidentenwahl im Frühjahr 2007 gilt schon jetzt als historische Weichenstellung. Noch sitzt zwar der AKP-Gegner Ahmet Necdet Sezer auf dem Präsidentenstuhl, doch er kann nicht noch einmal kandidieren. Wird also schon bald ein islamistischer Politiker das Amt Atatürks bekleiden? Und wenn ja, was werden die anti-islamistisch eingestellten Militärs tun, die in den letzten Jahrzehnten schon dreimal geputscht haben? Eine Wahl von Arinc wäre ein dramatisches politisches Signal. Da der Staatspräsident in der Türkei vom Parlament gewählt wird und die AKP in der Volksvertretung fast über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, hat Arinc beste Chancen.

Nur AKP-Chef und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kann Arinc die Kandidatur noch streitig machen. Dem machtbewussten Premier ist es möglicherweise nicht recht, wenn ein in der Partei so beliebter Politiker wie Arinc ins höchste Staatsamt kommt. Erdogan hat sich aber noch nicht entschieden, ob er selbst Präsident werden will. Insider in Ankara spekulieren, der erst 52-jährige Erdogan werde sich erst dann zum Staatsoberhaupt wählen lassen, wenn das Präsidentenamt mit mehr Machtbefugnissen ausgestattet worden sei. Das könnte 2007 den Weg für Arinc frei machen.

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