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Meinung: „Wir schützen Mladic nicht“

Es weht ein frischer Wind in der serbischen Armee. Vorbei scheinen die Zeiten, als alte Generäle mit der Schnapsflasche in der Hand junge Rekruten in den Krieg hetzten.

Es weht ein frischer Wind in der serbischen Armee. Vorbei scheinen die Zeiten, als alte Generäle mit der Schnapsflasche in der Hand junge Rekruten in den Krieg hetzten. Damals, in den 90er Jahren, arbeitete Zdravko Ponos im Generalstab als Experte für elektronische Erkundung. Nach einer Blitzkarriere hat ihn nun Präsident Boris Tadic zum jüngsten Generalstabschef ernannt. Der 44-Jährige spricht glänzend Englisch und Russisch, hat in Deutschland und Großbritannien seine militärischen Kenntnisse vertieft und gilt als westlich orientiert. Zu seinen Vorlieben zählen die US-Zeichentrickserie „Simpsons“ und der sogenannte Jugo-Rock der 70er Jahre.

Ponos stammt aus Knin, während der Balkankriege eine Hochburg der Serben in Kroatien. Er hat an der Militärtechnischen Akademie in Zagreb studiert und übernimmt seinen Posten zu einem heiklen Zeitpunkt: Serbien wählt am 21. Januar ein neues Parlament. Die Gefahr ist groß, dass die nationalistische Radikale Partei erneut als stärkste politische Kraft daraus hervorgeht. Die Verhandlungen mit der EU über eine weitere Integration sind seit Monaten blockiert – Brüssel verlangt die Festnahme des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic. Der bosnisch-serbische General verkörpert für Ponos „eine dunkle Seite unserer Vergangenheit“. Die Verhaftung Mladics sei aber Aufgabe der Polizei – die Armee gewähre ihm keinen Schutz, sagte Ponos in Wien.

Die größte Herausforderung aber heißt Kosovo: Die Provinz soll in den nächsten Monaten in eine Art Unabhängigkeit entlassen werden. Bereits jetzt erhöhen die Nationalisten den Druck auf die Armee, den Verlust der „mittelalterlichen Wiege der serbischen Nation“ mit allen Mitteln zu verhindern. Weder Präsident Tadic noch General Ponos lieben jedoch martialische Sprüche. Sie engagieren sich für die weitere Annäherung an den Westen. Deshalb hat die Nato Serbien kürzlich in ihr Programm „Partnerschaft für den Frieden“ aufgenommen. Diese Woche eröffnete sie ein Verbindungsbüro in Belgrad – neben dem von Nato-Bombern zerstörten Armeehauptquartier. Demnächst sollen erste Nato-Truppen durch Serbien nach Kosovo fahren.

Die enge Partnerschaft mit der Nato sieht Ponos als Chance, die serbische Armee zu reformieren. Die Truppe ist in einem maroden Zustand: veraltete Ausrüstung, verfallene Kasernen, schlecht bezahlte Offiziere. Das Ziel des Generalstabschefs ist eine Berufsarmee, die in fünf Jahren auf 21 000 Mann halbiert werden soll.

Enver Robelli

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