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Griechenland, Europa und wir: Sind die Staaten bereit, auf Souveränität zu verzichten?

© dpa

Wir und Europa: Es geht ums Ganze

Trotz Hilfszahlungen erreicht Griechenland das rettende Ufer nicht. Die Partner sind verärgert, das Volk verunsichert. Mit gutem Willen allein ist die Krise nicht zu bewältigen.

Europa kommt nicht zur Besinnung. Es sind immer wieder neue Krisenmeldungen, die den Takt des europäischen Schuldendramas vorgeben. Jetzt richtet sich der Blick der Märkte wieder auf Griechenland – jenem Pleitekandidaten, der als Erster gerettet wurde und trotz aller Hilfszahlungen der Europäer das rettende Ufer nicht erreicht. Klaffende Haushaltslöcher in Athen, verärgerte Buchprüfer der EU, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds – so trostlos erscheint die Lage in Griechenland fast eineinhalb Jahre nach dem Beginn der Rettungsaktion. Doch während sich die Bürger erneut Sorgen um ihre Gemeinschaftswährung machen, hätten sie eigentlich Anrecht auf etwas anderes: einen Plan, der ihnen eine Idee davon vermittelt, wie ein langfristiger Ausweg aus der Schuldenkrise aussehen könnte.

Wolfgang Schäuble hat der Öffentlichkeit einen Eindruck davon gegeben, dass es jenseits der hektischen Rettungsversuche auch noch um etwas anderes geht: ums große Ganze – sprich: die künftige Gestalt der Europäischen Union. Der Finanzminister gilt als Ureuropäer in der Regierung. Gerade deshalb ist es ihm wohl wichtig, das wolkige Bekenntnis der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ mit etwas Leben zu erfüllen. Schäuble hat also laut über eine Neufassung des EU-Vertrags nachgedacht. Das hört sich zunächst einmal etwas technisch und bürgerfern an. In Wahrheit ist Schäubles Gedankenspiel aber viel mehr: Es könnte das „Projekt Europa“ wieder an die Bürger heranrücken. Und da liegt gleichzeitig das Risiko.

Was Europa braucht, damit sich alle Länder in der Haushalts-, Steuer- und Wirtschaftspolitik annähern, lesen Sie auf Seite 2.

Worum es Schäuble geht, ist das offenkundige Defizit der Europäischen Union. Gerade angesichts des jüngsten griechischen Schuldenschlamassels spürt auch die Öffentlichkeit, dass die EU-Länder nicht so weitermachen können wie bisher, wenn sie ihre Etatlöcher wirklich zuschütten wollen. Es stellt sich die Frage, ob alle Länder in der Euro-Zone jemals wirklich ähnlich ticken werden. Und: Wird es für wirtschaftsstarke Staaten wie Deutschland je eine echte Handhabe geben, um die Länder im Süden vom permanenten Schuldenmachen abzuhalten?

Schäuble kennt das Kernproblem der Euro-Zone. Es liegt darin, dass der Kurs der wirtschaftlichen Angleichung, auf den sich die Mitgliedstaaten verpflichtet haben, nur auf gutem Willen beruht – mehr nicht. Damit sich alle Länder wirklich in der Haushalts-, Steuer- und Wirtschaftspolitik annähern, wäre aber eine echte EU-Wirtschaftsregierung nötig.

Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy haben zwar einen groben Plan einer solchen Wirtschaftsregierung abgeliefert. Dabei sind sie aber die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wie sich ein derartiges Gremium im Zweifel gegen die Haushälter in den nationalen Parlamenten durchsetzen könnte. Eine solche Befugnis würde eine Machtverschiebung Richtung Brüssel bedeuten, die ohne eine Änderung des EU-Vertrags nicht denkbar wäre. Die Frage ist nur, ob die Bürger ein solches Europa wollen. Denn sie sind es ja, die einer Neufassung des EU-Vertrages zustimmen müssten. Wie viel Souveränitätsverlust ist hinnehmbar, wenn es der Stabilität des Euro dient? In dieser zentralen Frage sind jetzt die Parlamente in den Nationalstaaten gefordert. Die Debatte ist mit Schäubles Vorstoß eröffnet.

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