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Meinung: Wirtschaftskrise und Arbeitsmarkt: An der 40-Prozent-Hürde gescheitert

Überall wird das Geld knapp. Und wenn doch was da ist, wird es zurückgehalten.

Überall wird das Geld knapp. Und wenn doch was da ist, wird es zurückgehalten. Wer weiß, was noch kommt? Das trifft für die Unternehmen zu, die Investitionen jetzt nicht tätigen, für Verbraucher, die Anschaffungen verschieben, und für Anleger, die die Börse scheuen. Alles in allem sind das die Zutaten einer Rezession, in die - mehr oder weniger von den USA gezogen - nun auch die Bundesrepublik rutscht. Vielleicht wird nach einigen Monaten wieder alles gut, wie uns Wirtschaftsforscher und Politiker glauben machen. Vielleicht aber ergänzen und verstärken sich negative Effekte. Aber wer richtig im Schlamassel steckt, das zeigt das Beispiel Japan, der kann sich strecken und strampeln und rutscht doch immer tiefer.

Im Schlamassel steckt Arbeitsminister Walter Riester. Mit großen arbeitsmarktpolitischen Versprechungen war die Bundesregierung angetreten: Am Abbau der Arbeitslosigkeit sollt ihr mich messen, hatte der Bundeskanzler dem Wahlvolk zugerufen und das so genannte Bündnis für Arbeit reanimiert; und der Arbeits- und Sozialminister kündigte an, die Regierung werde in dieser Legislaturperiode die Sozialbeiträge auf 40 Prozent drücken. Schön wär das gewesen. Doch wegen Konjunkturschwäche und hoher Arbeitslosigkeit können weder Arbeitslosen- noch Rentenversicherung wie geplant reduziert werden. Und die Krankenversicherung wird sogar teurer, so dass inklusive Pflegeversicherung alles in allem 41,2 Prozent in die Sozialkassen fließen.

Das ist bitter für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Denn wenn die Regierung ihr Ziel von 40 Prozent erreicht hätte, würden die Firmen und ihre Beschäftigten im kommenden Jahr jeweils zehn Milliarden Mark mehr zur Verfügung haben; zehn Milliarden für Investitionen und zehn Milliarden für den privaten Verbrauch. Anders gesagt: Es fehlen 20 Milliarden Mark zur Stärkung der Konjunktur. Aber wenn die Konjunktur nicht anspringt, gibt es nicht mehr Beschäftigte und entsprechend nicht mehr Beitragszahler für die Sozialkassen. Da die Kosten der Sozialsysteme aber steigen müssen immer weniger Beitragszahler immer mehr zahlen. Das verteuert die Arbeitskosten und reduziert den privaten Verbrauch. Und mit der Konjunktur geht es weiter bergab, was die Zahl der Beitragszahler weiter reduziert.

Sozialminister Walter Riester steckt im Teufelskreis. Er hatte wohl gehofft, dass ein kräftiges Wirtschaftswachstum mit entsprechenden Einnahmen die Probleme in den Sozialkassen lösen würde. Wenn überhaupt, dann reicht diese Hoffnung nur bis zum nächsten Abschwung. Strukturprobleme löst man so nicht. Zum Beispiel in der Rente. Im Schnitt gehen die Bundesbürger mit knapp 60 Jahren in Rente, so früh wie noch nie. Gleichzeitig aber leben sie so lange wie noch nie. Diese Diskrepanz versuchte Riesters Vorgänger mit dem so genannten demographischen Faktor aufzufangen: Dafür, dass die Rentner länger Rente beziehen, sollen sie bei der Höhe der Rente leichte Abstriche hinnehmen. Rot-grün lehnt das ab und hat die Ökosteuer eingeführt, um damit die Rentenbeiträge einigermaßen stabil halten zu können. Eine überzeugende Rentenpolitik ist das nicht. Es ist wohl nur eine Frage von Wahljahren, wann Riester den demographischen Faktor wieder aus der Schublade holt.

Für die Großbaustelle Gesundheit ist Walter Riester nicht zuständig. Aber wie hier auf Kosten der Beitragszahler dilettiert wird, ist ein noch stärkeres Stück. In den letzten fünf Jahren hat es 16 Gesetze zur Reform der Krankenversicherung gegeben, fünf weitere sind derzeit in Arbeit. Trotzdem fahren die Krankenkassen ein Rekorddefizit ein und steigen die Beiträge auf Rekordniveau. Nach Berechnungen der Arbeitgeberverbände steigt der Krankenversicherungsbeitrag bis 2030 auf 25 Prozent, die Rente auf mindestens 22 Prozent. Wer das nicht will, kommt an der Sozialreform nicht vorbei. Oder es lohnt sich bald nur noch Schwarzarbeit.

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