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Meinung: Wo ein Wille ist, sind viele Wege

Der bayerische Ministerpräsident ist kein Mann der Eindeutigkeiten

Was will Stoiber? Der bayerische Ministerpräsident hat die Nase lange genug im Wind, um Stimmungen und Trends schnell zu wittern. Wenn aus München also eine Botschaft kommt, die weithin als Ja zur vorgezogenen Steuerreform interpretiert wird, dann darf man daraus einen Rückschluss ziehen. Nämlich den, dass der bayerische Ministerpräsident die Kräfteverhältnisse bei diesem Thema im Moment so beurteilt, dass Verweigerung bei Bürgern und Unternehmen nicht gut ankäme.

Zählt Stoiber im unübersichtlichen Lager der Unions-Parteien also zu denen, die im Bundesrat auf die weit geöffneten Arme des Bundeskanzlers zugehen wollen? Das wohl kaum. Stoiber hat, in Abweichung von der trotzigen Forderung der Unionsfront, die Bundesregierung müsse gefälligst bessere Finanzierungskonzepte vorlegen als die hohe Neuverschuldung, nun selbst einen begrenzten Alternativ-Vorschlag gemacht. Er will Ausgaben für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Weiterbildung streichen. Ein konstruktives Vorgehen – mit vergifteten Pfeilen. Denn diese Einschränkungen würden vor allem in den ostdeutschen Ländern wirksam. Also da, wo die Annäherung zwischen Bundesregierung und CDU–Ministerpräsidenten in der Steuerfrage am aussichtsreichsten scheint. Die Steuerbotschaft aus München erweist sich bei näherem Hinsehen als reichlich ambivalent.

Was Stoiber wirklich will, lässt sich auch bei der heftig aufgebrochenen Reformdebatte der CDU nur schwer ausmachen. Die bayerischen Signale scheinen von schönster Eindeutigkeit zu sein. Gegen die jungen Wilden an der Spitze der CDU, gegen Angela Merkels Gesundheits-Kopfpauschale und die Steuertarife des Friedrich Merz, beschwört Stoiber die wärmende Kraft des Sozialsstaats. Aber da ist so etwas wie ein Wettlauf um die besten und radikalsten Reformideen ausgebrochen, an dem sich SPD und Grüne, CDU und FDP beteiligen. Und die moderne Volkspartei CSU nicht? Der CSU-Chef hat dem Nein zu den in der CDU vorgelegten Konzepten vorsorglich eine Bemerkung hinzugefügt, die als Öffnungsklausel verstanden werden darf: Der Sozialstaat könne künftig nur noch Notlagen absichern. Die CSU wird im November ihre Ideen dazu vorlegen.

Die Landschaft hat sich nach dem triumphalen Wahlsieg in Bayern rasch geändert. Da schien es möglich, die schwache Bundesregierung im Herbst und Winter allein mit der Frage nach der Gerechtigkeit ihres Reformkurses zu zermürben. Schröders offene Flanke ist kleiner geworden, seit die Vorschläge von Merkel und Merz zeigen, dass auch Reformen à la Union von den kleinen Leuten mehr verlangen als von den Großen. Während die Bürger die Auseinandersetzungen um Steuern, Hartz, Rente und Gesundheit als fast bewegungslosen Stellungskampf wahrnehmen, hat einer der wichtigsten Akteure sich Woche für Woche den Konstellationen rasch angepasst. Was will Stoiber? Er will sich alle Optionen offen halten, taktisch im Bundesrat, strategisch in der großen Familie der Union. Und das betreibt er mit Geschick.

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