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Pro-russische Separatisten vor einer Polizeistation im ostukrainischen Slaviansk.

© dpa

Wohin fließt das Geld des Westens?: Die Ukraine und Europas neue Devisen

Die Griechen mussten für EU-Milliarden noch bluten – die Ukraine hat es jetzt leichter. Nach Angela Merkels Maßstäben dürfte die Regierung in Kiew Geld nur bei entsprechender Gegenleistung bekommen. Doch wenn es um den Kampf gegen Putins Panzer geht, dann wirft selbst sie ihre Grundsätze über Bord.

Von Antje Sirleschtov

Als Angela Merkel in der Euro-Krise noch „Madame No“ war, konnte man sicher sein, dass die Kanzlerin nicht irgendwelchen Schurken die Taschen füllte. Unten im Süden Europas, in Athen und Nikosia, ist Merkels Mantra, „keine Leistung ohne Gegenleistung“ zu gewähren, seither jedem Kind bekannt. Nur wer gesellschaftlichen Konsens und parlamentarische Mehrheiten für härteste Wirtschafts- und Sozialreformen schwarz auf weiß vorweisen konnte, Steuerbetrügern das Handwerk legen und Korruption bekämpfen wollte, durfte mit der Hilfe der Deutschen rechnen. Europa wurde durch diese Unerbittlichkeit auf harte Proben gestellt.

Im Fall der Ukraine spielt all das nun keine Rolle mehr. Seit Monaten liegt das Land im Ausnahmezustand, das Volk ist tief gespalten, die Übergangsregierung genießt im Land so wenig Vertrauen, wie man im Ausland ihren Aussagen vertrauen darf. Ein Ende des Chaos ist auch nach der Wahl am 25. Mai kaum zu erwarten. Derweil plündern gewissenlose Oligarchen und korrupte Beamte das Land. Auf dem Failed-State-Index wird die Ukraine seit Jahren unter „Warning“ gelistet.

Und doch hat die EU jetzt die erste Milliarde in Richtung Kiew verabschiedet und gleich auch noch die Einfuhrzölle nach Europa aufgehoben. Auch der US-Kongress segnete mit großer Mehrheit eine Milliardenzahlung ab. Und weitere Hilfen, Kredite europäischer Banken, Entwicklungszuschüsse und Kredite des Internationalen Währungsfonds werden vorbereitet. Alles in allem 30 Milliarden Euro sollen auf diesem Weg in Richtung Osten fließen. Gab es bereits belastbare Gegenleistungen dafür, hat eine Troika den Reformbedarf untersucht und glaubwürdige Programme zur Sanierung des Staatshaushaltes oder zur Bekämpfung der Korruption festgelegt? Fehlanzeige. Die Devise heißt: Leistung jetzt, Gegenleistung später.

Zugegeben: Die Ukraine rauscht in einen Staatsbankrott, ausländische Gläubiger pochen auf die Rückzahlung von Krediten. Währungsfonds und EU-Kommission wollen zudem ihre Hilfen an Reformzusagen knüpfen. Aber was sind diese Beteuerungen wert? Die politisch Verantwortlichen – und zwar die prorussische Janukowitsch-Regierung genauso wie die von Julia Timoschenko – haben auch in der Vergangenheit alle Versprechen gebrochen. Erst im vergangenen Dezember urteilte der Internationale Währungsfonds, dass die für bereits gewährte Kredite versprochenen Veränderungen im Land nicht annähernd umgesetzt wurden. Und doch soll jetzt weiteres Geld fließen – in ein Land, dessen Stabilisierung unsicherer ist denn je?

Mit dem Geld wird nicht die Not von Menschen gelindert

Dass mit dem Geld des Westens die Not der Menschen gelindert wird, glaubt niemand. Wo der Staat nicht funktioniert, versickert Hilfe auf den Konten der Oligarchen. Oder es landet bei geschäftstüchtigen Gläubigern im Westen. Für beide Dinge aber – die Unterstützung eines korrupten Systems und die Finanzierung von Banken mit Steuergeld – dürften der deutschen Kanzlerin die Argumente fehlen. Denn es widerspräche diametral ihren bisherigen Grundsätzen.

Oder fließt das Geld, damit der Westen den Kampf um die Ukraine gewinnt – gegen Putins Panzer sozusagen? Welchen Preis Europa für diesen Konflikt zahlt und unter welchen Bedingungen: Auch darüber sollte Frau Merkel Auskunft geben, vor der Europawahl am 25. Mai.

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