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Wohnungsbau: Brennpunkt Boomtown

Die Mieten steigen doppelt so stark wie die Verbraucherpreise. Da die Bevölkerung Berlins wächst, droht Wohnungsnot. Berlin muss wieder den Wohnungsbau fördern. Ein Kommentar.

Das freut die Investoren. Jedes Jahr, so erklären Immobilienhändler bereitwillig, wird die Miete um zwei Prozent erhöht und in zehn Jahren wird das Mietshaus in Eigentumswohnungen verwandelt und verkauft. Willkommen in der Boomtown Berlin: Hier steigen die Mieten doppelt so stark wie die Verbraucherpreise, und in manchen Stadtteilen nähern sich die Kosten für das knappe Gut Wohnen langsam Münchner Verhältnissen an.

Vor wenigen Jahren fand es der Senat bei 100 000 leerstehenden Wohnungen noch eine prima Idee, überflüssige Plattenbauten abzureißen. Nun spricht der Verband der Berlin-Brandenburger Wohnungsbauunternehmen von einer drohenden Wohnungsnot. Rund 50 000 Haushalte wird es bis 2015 mehr geben, weil die Bevölkerung Berlins wächst, aber derzeit nur 3500 Wohnungen im Jahr neu gebaut werden – und das zumeist im Marktsegment der Komfortklasse.

Die Zeiten, als Mieter die Auswahl hatten, sind vorbei – nun dürfen Hausbesitzer wieder aus der Schlange auswählen. Wer die Gewinner sind, steht fest – und auch die Verlierer. Die Verdrängung wird zunehmen: Wer sich nichts leisten kann, geht leer aus. Ob es ein Recht gibt, als Geringverdiener oder Hartz-Empfänger im Zentrum einer Millionenstadt zu leben, sei dahingestellt – doch auch in den Randlagen wird es immer schwieriger, eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Die alarmierende Mietentwicklung ist die schlechte Nachricht in einer guten Botschaft. Berlin ist endlich die wirtschaftliche Trendwende gelungen. Doch so schnell kann Berlin nicht wohlhabend werden, dass auch die Menschen in den Problemkiezen davon profitieren. Sie wird besonders treffen, dass die Bundesregierung das Programm „Soziale Stadt“ kürzen will, mit dem Quartiersmanager und soziale Betreuungseinrichtungen finanziert wurden. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hat offen gelassen, ob Berlin in der Lage ist, den Ausfall jener Mittel zu kompensieren, mit denen unter anderen auch das bundesweit bekannte Modellprojekt Rütli-Campus in Neukölln finanziert wird.

Steigende Mieten und Verdrängung – das ist eine brisante Mischung. Um die Lage zu entspannen, muss Berlin endlich wieder beginnen, den Wohnungsbau zu fördern. Nicht wie nach dem Mauerfall, als die Stadt auf der Grundlage überoptimistischer Bevölkerungsprognosen Milliarden Euro mit zweifelhaftem Erfolg verbaute. Und auch nicht wie in den achtziger Jahren, als die skandalösen Garantien des Landes zu jenen Schulden beitrugen, an denen die Stadt immer noch leidet.

Benötigt werden preiswerte Wohnungen – dafür kann das Land günstige Grundstücke bereitstellen, modellhaftes Wohnen für Baugruppen am Stadtrand fördern oder neue Wohnungsbau-Genossenschaften unterstützen. Berlin, die Stadt der Kreativen, könnte daraus ein erfolgreiches Programm machen. Mit neuen Ideen finanzierbaren Wohnraum zu schaffen und die Immobilienhändler auszubremsen, damit könnte Berlin noch attraktiver werden – und sozial erfolgreich.

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