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Meinung: Womit zu rechnen ist

„Fremde Heimat“ vom 27. Oktober Ein Blick über den Tellerrand hilft immer wieder, den eigenen Blickwinkel zu kalibrieren.

„Fremde Heimat“ vom 27. Oktober

Ein Blick über den Tellerrand hilft immer wieder, den eigenen Blickwinkel zu kalibrieren. So erscheinen einige heftige politische Diskussionen in Deutschland mit den Augen eines externen Betrachters in einem anderen Licht.

Was ist den deutschen Bürgern widerfahren, dass Ressentiments gegen Großkonzerne stark zugenommen haben, der Glaube an den Nutzen staatlicher Eingriffe und des eigenen staatlichen Handelns überwiegen? Hier sticht vor allem der aktuelle „Hype“ zur Rekommunalisierung von Stadtwerken hervor. Wer erbringt den Nachweis, dass staatliches Handeln die besseren Ergebnisse bringt? Woran messen wir das, wer verantwortet einen möglichen Misserfolg, wer trägt die Lasten? In der hitzigen Debatte um die Rekommunalisierung der Energienetze in Hamburg und Berlin gibt es auf diese Fragen außer vagen Aussagen und Versprechen keine belastbaren Antworten. Hinter vorgehaltener Hand geben Befürworter zu, dass die derzeitigen Betreiber einen guten Job machen und dieser nach einem Eignerwechsel auch unverändert fortgesetzt würde. Auch das bisher oft genannte Argument niedrigerer Preise für die Kunden ist nicht mehr zu hören, da nicht haltbar.

Wie der Autor zu Recht schreibt, ist der volkswirtschaftliche Zusammenhang zwischen Wohlstand und Wirtschaft aus dem Blick gerückt. Dies spiegelt sich in wachsenden Widerständen gegen jegliche Form von Großprojekten. Wäre es vorstellbar, die Infrastruktur Deutschlands unter diesen Bedingungen noch einmal neu aufzubauen? Zum Beispiel das Autobahn- oder Bahnnetz? Diese Infrastruktur stellt ohne Zweifel das Rückgrat der deutschen Wirtschaft dar.

Wenn der Staat der bessere Unternehmer wäre, wo fängt der Gedanke an, wo hört er auf? Sollte er dann auch SAP, Google oder Bayer übernehmen? Im Rahmen der Rekommunalisierung wird vor allem in Berlin behauptet, dass die Energienetze eine profitable Rendite erwirtschaften, die man zum Schuldenabbau nutzen kann. Eine angemessene Rendite wird man wohl erwirtschaften können, aber die Stadt wird die Netze nicht geschenkt bekommen. Der Kaufpreis wird die künftigen Erträge widerspiegeln. Die Stadt macht also nur dann ein lukratives Geschäft, wenn sie besser wirtschaftet als die bisherigen Eigner. Die Antwort, wie das geschehen soll, steht aus.

Der deutsche Weg der „Energiewende“ ist eine Herkulesaufgabe. Man täte gut daran, alle Beteiligten einzubinden. Nicht zuletzt übrigens, um an das nötige Kapital für die anstehenden Investitionen zu kommen. Und die (Um-) Welt ist auch hier nicht schwarz oder weiß: bis auf absehbare Zeit wird es ein Neben- und Miteinander zwischen Erneuerbaren und konventionellen Energien geben müssen.

Stephan Hadré, Berlin

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