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Wowereit in der SPD: König ohne Sonne

Klaus Wowereit hat sich um seine Partei nie wirklich gekümmert und war doch so etwas wie ihr heimlicher Star. Am Sonnabend droht ihm die Entzauberung. Beim Landesparteitag in Berlin muss er tun, was er bisher meist erfolgreich vermeiden konnte: eine Grundsatzrede halten.

Die große Politik hat Klaus Wowereit bisher umkreist wie ein kleiner Stern die Sonne, mal mehr, mal weniger angezogen von ihr, aber stets in sicherem Abstand; er könnte ja auch verglühen. Gerne weist der Regierende Bürgermeister darauf hin, er habe nie behauptet, Bundeskanzler werden zu wollen. Doch kokettiert hat er damit schon, reichlich und geschickt. Ob er sich das Amt je wirklich zumuten mochte, ist eher zweifelhaft. Das Amt zu erobern, das hat er sich allerdings bestimmt zugetraut – jedenfalls bis zur Bundestagswahl. Seitdem ist die Sonne für Wowereit wieder so weit entfernt wie für jeden anderen Menschen auch, also etwa hundertfünfzig Millionen Kilometer.

Der großen SPD hatte sich Wowereit in all den Jahren nur einmal genähert, als er stellvertretender Parteivorsitzender bei Kurt Beck werden wollte. Doch dem war der seltsam beliebte Berliner nicht ganz geheuer. Wowereit attestierte der SPD-Spitze später eine „stabile Mobbingkultur“. Jetzt wagt er es ein zweites Mal, wenn auch wieder nur halb und auch nur halbherzig unterstützt vom Vorstand. Doch diesmal gilt’s für ihn, jetzt wird sich weisen, wohin sein Weg führt – und ob sich seine Partei vielleicht auch für ihn als schwarzes Loch erweist, in dem ganze Führungen von Zeit zu Zeit plötzlich verschwinden.

Klaus Wowereit hat sich um seine Partei nie wirklich gekümmert. Er genoss die Freiheit jenseits von Gremien, seine Bekanntheit, seine Beliebtheit; von unangenehmen Dingen hielt er sich fern. Missverständnisse nahm er so, wie sie kamen, manche nutzten ihm, manche nutzte er. Dass er als Feiermeister verspottet wurde, hat ihn lange gegrämt, zumal er einst eher als akribischer Arbeiter galt. Aber die Kombination von Politik und Party hat ihm erst ein echtes Image verschafft. Dass er ein Linker sei, nur weil er mit der Linken regiert – nun ja, davon wurde er wohl auch selbst überrascht. Was Richtungsfragen betrifft, hat er sich ja sonst eigentlich eher durchgemerkelt. Aber gut, da es zu der Zeit an echten, erfolgreichen Linken in der Partei mangelte, ist er eben jetzt einer.

Doch die Zeiten haben sich dramatisch geändert, auch für Klaus Wowereit. Dass er die Linke in der Regierungsverantwortung entzaubern könne, das glaubte Wowereit noch nach der vergangenen Wahl zum Abgeordnetenhaus; da hatte der Koalitionspartner tatsächlich an Zustimmung verloren. Heute sieht es genau andersherum aus. Entzaubert ist die SPD, und das auch noch mit simpelsten Tricks. Ausgerechnet in Berlin hat die Partei besonders drastisch verloren. Doch die Berliner Sozialdemokraten spulten ihr wohl vorbereitetes Forderungsprogramm für die Zeit nach der Wahl ungerührt ab: die Agenda schleifen, die frühere Rente zurückholen, die Linke umarmen. Zugeschneidert war das für das einzige Szenario, das Wowereit in absehbarer Zeit an die Spitze hätte bringen können – die SPD rettet sich noch einmal in eine Koalition mit der Union, und spielt zugleich Opposition mit einer Linksregierungsoption. Aus, vorbei.

Die Entzauberung droht jetzt auch Klaus Wowereit. Bereits am Sonnabend beim Landesparteitag in Berlin muss er tun, was er bisher meist erfolgreich vermeiden konnte: eine Grundsatzrede halten. Das sollte eigentlich Münteferings Part sein; das hat sich inzwischen erledigt. Gabriel, angefragt, ist leider verhindert, die anderen Granden sind es auch. Also Wowereit. Es muss ihm mehr einfallen, als nur der Linken die Themen hinterher zu tragen. Der Countdown läuft.

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