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Klaus Wowereit ist wieder da. Nach seinem Wintersporturlaub muss er sich am Montag im Parlament äußern.

© dpa

Steueraffäre André Schmitz: Welche Fragen muss Klaus Wowereit beantworten?

Zwar stützt ein Gutachten Klaus Wowereits Entscheidung, seinen Staatsekretär André Schmitz nicht disziplinarisch zu belangen. Doch die obersten Gerichte in Deutschland sind mit betrügerischen Beamten streng – bis hin zur Entfernung aus dem Dienst.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Rechtslage ist kompliziert, auch wenn die Senatskanzlei im Roten Rathaus mit juristischen Gutachten nachweisen will, dass der Regierende Bürgermeister, Kultursenator und Volljurist Klaus Wowereit (SPD) in der Steueraffäre um seinen Staatssekretär eindeutig korrekt gehandelt hat. So wird ein Vermerk des renommierten Anwalts Reiner Geulen, der das Land Berlin seit vielen Jahren in wichtigen Rechtsstreitigkeiten vertritt, in diesen Tagen breit gestreut.

Darin kommt der Jurist zu dem Schluss, dass „die Einleitung eines behördlichen Disziplinarverfahrens gegen den Staatssekretär André Schmitz eine Dienstpflichtverletzung des Regierenden Bürgermeisters gewesen wäre“. Geulen begründet dies mit der „verfassungsrechtlich begründeten Fürsorgepflicht des Dienstherrn“ und damit, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Schmitz wegen geringer Schuld „gegen Zahlung eines Geldbetrags“ 2012 eingestellt wurde.

Bei Verfolgung von Steuerhinterziehungen in Berlin mit zweierlei Maß gemessen

Schmitz gelte deshalb nicht als vorbestraft, so heißt es im Vermerk, und Wowereit habe deshalb keinen Anlass gehabt, disziplinarisch gegen den Staatssekretär vorzugehen. Zumal es sich eindeutig um eine Privatangelegenheit gehandelt habe. Der Regierende Bürgermeister sei auch nicht berechtigt gewesen, „den Vorgang zu offenbaren“, solange der Staatsekretär dies nicht selber tue. Denn es sei Bestandteil der Fürsorgepflicht, dass der Dienstherr die Vertraulichkeit über die persönlichen Angelegenheiten eines Beamten wahrt.

Die Frage, die der Anwalt nicht beantworten musste, ist: Hat die Ermittlungsbehörde mit der Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldbuße im Fall Schmitz angemessen entschieden? Ein ehemaliger Spitzenbeamter der Berliner Verwaltung, dessen Name der Redaktion bekannt ist, bestreitet dies aufgrund eigener Erfahrungen. Er wurde vom zuständigen Amtsgericht in Berlin 2011 wegen Hinterziehung von 9400 Euro Einkommensteuer per Strafbefehl zu 60 Tagessätzen verurteilt.

Der Beamte schließt daraus, dass bei der Verfolgung von Steuerhinterziehungen in Berlin mit zweierlei Maß gemessen werde. Immerhin habe Schmitz, weil er die Zinserträge aus einer Erbschaft von 425.000 Euro nicht versteuert habe, rund 22.000 Euro Steuern nachzahlen müssen. Trotzdem sei er mit der Einstellung des Verfahrens und einer – strafrechtlich nicht bedeutsamen – Geldbuße von 5.000 Euro davongekommen.

Was schreibt die Rechtssprechung vor?

Die bundesweite Rechtsprechung zur Steuerhinterziehung bei Beamten gibt auch keine eindeutigen Hinweise, ob die Berliner Justiz und der Dienstherr im Roten Rathaus so handeln mussten, wie sie es taten. Wenn der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch ist, im fünf- oder sechsstelligen Bereich, halten die obersten Gerichte in Deutschland eine Dienstgradherabsetzung für angezeigt. Und im Januar 2012 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass ein Steuerbetrug durch Beamte auch „aus disziplinarischer Sicht kein Kavaliersdelikt“ sei, sondern regelmäßig eine schwere Verfehlung – mit Blick auch auf den immateriellen Schaden, der dem Staat entsteht.

Der Bundesfinanzhof urteilte 2008, dass die Strafverfolgungsbehörde „zur Sicherstellung dienstrechtlicher Maßnahmen gegen einen Beamten“ die gewonnenen Erkenntnisse dem Dienstvorgesetzten offenbaren dürfe. Das gilt auch, wenn der Beschuldigte im Ergebnis der Ermittlungen strafrechtlich nicht belangt wird. Darauf hatte die Berliner Staatsanwaltschaft teilweise verzichtet. Nur Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) wurde unterrichtet. Regierungschef Wowereit wurde nach allem, was bisher bekannt ist, nur von seinem Kulturstaatssekretär selbst über das Ermittlungsverfahren informiert.

Die Selbstanzeige kam für André Schmitz nicht in Betracht

Das Bundesverwaltungsgericht entschied im Juli 2011, dass auch eine „außerdienstliche Steuerhinterziehung“ ein Dienstvergehen sein könne, wenn sie im konkreten Fall besonders geeignet sei, Achtung und Vertrauen „in einer für das Amt oder das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise“ zu beeinträchtigen. Bei der Bemessung von Disziplinarmaßnahmen komme es in erster Linie auf die Schwere des Vergehens an, und das „Persönlichkeitsbild des Beamten“ sei angemessen zu berücksichtigen.

„Wegen der Variationsbreite der möglichen Verfehlungen, insbesondere wegen der sehr unterschiedlichen Hinterziehungsbeträge“ müssten Disziplinarmaßnahmen für Steuerbetrug „ohne dienstlichen Bezug“ nach den Umständen des jeweiligen Falles festgelegt werden. Bei einem Hinterziehungsbetrag in siebenstelliger Höhe komme die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht. Eine strafaufhebende Selbstanzeige des betrügerischen Beamten könne „nicht unbesehen als Milderungsgrund“ angesehen werden, urteilte das Verwaltungsgericht.

Die Selbstanzeige kam für Schmitz ohnehin nicht in Betracht, weil ihm die Staatsanwaltschaft von alleine auf die Spur kam. Er konnte auch nicht damit rechnen, dass die Sache vertraulich blieb. Nach Informationen des Tagesspiegels wusste seit 2012 zumindest in der Justizverwaltung des Senats ein größerer Personenkreis, dass ein namentlich damals noch nicht genannter Staatssekretär wegen Steuerhinterziehung belangt wurde.

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