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Christian Wulff

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Wulff-Prozess vor Revision: Warum der Freispruch geprüft gehört

Das Gericht hielt es für unwahrscheinlich, dass sich ein Ex-Präsident für "Penauts" korrumpieren lässt. Eine menschliche Sicht, die dem Fall jedoch nicht in allen Facetten gerecht wird. Bei Korruption ist die Justiz aus guten Gründen empfindlich.

Christian Wulff kann gelassen bleiben. Dass die Staatsanwaltschaft nach seinem Freispruch Revision einlegt, war so absehbar, wie es unwahrscheinlich ist, dass der Bundesgerichtshof das Urteil korrigieren wird. Trotzdem ist es richtig. Und Wulff, der nun im Anwaltsberuf reüssieren möchte, wird es verstehen.

Zunächst gibt es einen formalen Grund. Für ihren Antrag hatten die Ankläger nur eine Woche Frist, während das Gericht unter Vorsitz von Frank Rosenow mehr Zeit hat, den Freispruch schriftlich zu begründen. Vielfach handelt es sich deshalb um eine Pflichtübung; später, wenn das Urteil auch die Staatsanwaltschaft überzeugt, kann sie den Antrag folgenlos zurückziehen. Doch auf diese Weise ist das Gericht gezwungen, den Freispruch unangreifbar zu machen. Und dafür müsste Rosenow noch etwas drauflegen – mehr als das Wort von den „Peanuts“, für die kein Karrierepolitiker vom Format Wulffs seine Laufbahn riskieren würde. Und mehr als das Vertrauen in die Turbofreundschaft zum Filmfinanzier David Groenewold, den Wulff mitsamt geschäftlichen Anliegen binnen kurzem in sein Herz und ans Wochenbett der Freundin gelassen hat.

Beides waren die zentralen Muster in der mündlichen Urteilsbegründung: hier die lebensferne Annahme, dass ein Ehrenmann in herausgehobener Stellung überhaupt korrupt werden könnte. Dort der lebensnahe Schluss, dass echte Freunde einander nie kaufen würden. Zusammen ergab das einen Freispruch, der weithin akzeptiert wurde. Ein Sieg des gesunden Menschenverstandes über die eifernde Rabulistik von Staatsanwälten.

Ob ein Strafurteil Bestand hat, entscheidet jedoch nicht der Applaus des Publikums, sondern der Bundesgerichtshof in Anbetracht eines in Korruptionsdingen verschärften Gesetzes. Jeder Anschein soll bekämpft werden. Und dass auch gute Freunde korrupt sein können, haben die Bundesrichter ebenfalls schon entschieden.

Dem menschlichen Maß, das Richter Rosenow an seine Angeklagten legt, hat Wulff vollauf entsprochen. Er schied als Straftäter aus. Das Schlimmste, was er während seines Verfahrens zu überstehen hatte, war sein Zeugenauftritt im Nachbarprozess gegen Wulffs Ex-Sprecher Glaeseker. Dort wurde er ein paar Stunden von der Richterin gegrillt. Auf vergleichbare Temperaturen ist es bei ihm vor Gericht nie gekommen.

Im Glaeseker-Prozess war übrigens auch ein anhaltend verdattert wirkender hoher Beamter aus Stuttgart als Zeuge erschienen, der – wie der Angeklagte – in einem Ferienhausbett des Eventkönigs Manfred Schmidt genächtigt hatte. Auch er hätte niemals für Peanuts seine Karriere riskiert. Er hat es aber, weil ihm das Gespür für sein Handeln fehlte, das bei ihm erst mit dem Ermittlungsverfahren kam. Fehlendes Gespür kann strafbar sein; eine Lehre, die Wulff nun erspart geblieben ist.

Rosenow sollte nun noch einmal seine Peanuts wiegen, wenn er sein Urteil schreibt. Im Zweifel werden sie auf eine Kontrollwaage gelegt. Am Ergebnis wird dies wohl nichts ändern, weil es vor allem auf Beweisfragen ankommt, die Sache seiner Kammer waren. Doch hat die Staatsanwaltschaft, hat die Justiz eine Verantwortung. Es ging nicht allein um Wulffs Vertrauen in das Recht. Es geht auch um das Vertrauen der Bürger in ihre Verwaltung.

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