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Meinung: Zinsen müssen sinken: Handeln hat Konjunktur

Es gibt gute Gründe für die Europäische Zentralbank (EZB), heute die Zinsen zu senken. Alle Zeichen für die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone deuten nach unten.

Es gibt gute Gründe für die Europäische Zentralbank (EZB), heute die Zinsen zu senken. Alle Zeichen für die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone deuten nach unten. Die Bestellungen aus dem Ausland sind nach den Terroranschlägen des 11. September eingebrochen, die Arbeitslosigkeit steigt, die Ängste der Arbeiter und Angestellten, der Unternehmer und Freiberufler vor einer Rezession wachsen. Sie fürchten, dass das jetzt nur der Anfang ist. Dass es noch schlimmer kommt.

Es wäre gut, wenn die EZB jetzt ihrer Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung gerecht würde und die Zinsen senkte. Zwar sagen die europäischen Geldpolitiker, dass ihre Aufgabe allein die Sicherung der Währung gegen Preisverfall ist. Deshalb haben sie bei ihrem letzten Treffen Ende Oktober die Zinsen unverändert gelassen. Doch die Inflationsrate im Euroraum sinkt beständig, so dass die EZB Handlungsspielraum hat, sich auch um andere Dinge als die Inflationsrate zu kümmern. Um die Konjunktur zum Beispiel.

Die braucht die Hilfe der Geldpolitiker dringender denn je. Die weltwirtschaftliche Lage ist mehr als ernst und die Handlungsspielräume der europäischen Finanzpolitiker sind mehr als beschränkt. Deshalb sollten sich Europas Geldpolitiker ein Beispiel an den USA nehmen. Vorgestern abend hat die US-Notenbank die Zinsen noch einmal um fünfzig Basispunkte auf einen historisch niedrigen Zinssatz gesenkt: Die Notenbanker deuteten sogar an, dass sie angesichts der miserablen Wirtschaftslage in diesem Jahr die Zinsen noch einmal senken könnten. Sie verweisen auf die wachsenden Risiken - in den USA, in Argentinien und Lateinamerika, aber auch in Europa, auch in Deutschland. Alle großen Wirtschaftsräume der Welt kämpfen mit nachlassender wirtschaftlicher Dynamik und mit Rezessionsängsten.

Auch wenn die Wirtschaft in den USA im kommenden Jahr wieder anzieht, ist völlig unklar, ob es ein kräftiger und nachhaltiger Aufschwung wird oder nur ein bescheidenes Zwischenhoch. Unsicher ist auch, ob und wann dieser Aufschwung in Europa, in Deutschland und auf dem Arbeitsmarkt ankommt. Wahrscheinlich ist dann das nächste Jahr schon fast vorbei. Wahrscheinlich sind auch die Bundestagswahlen dann vorbei. Und wahrscheinlich ist es deshalb nur noch eine Frage von Wochen, bis die Bundesregierung - entweder allein oder zusammen mit den europäischen Partnern - die Konjunktur ein bisschen anschiebt. Vielleicht, indem sie der Bauwirtschaft durch ein kommunales Investitionsprogramm auf die Beine hilft. Oder indem sie die Arbeitslosigkeit durch einen subventionierten Niedriglohnsektor mindert. Oder - und das wäre noch das Vernünftigste - indem sie einen Teil der Steuerreform vorzieht.

Sie wäre jedenfalls gut beraten. Denn: Gestern hat der Internationale Währungsfonds die Erwartungen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland noch einmal zurückgenommen. Nur noch ein Prozent Wachstum sieht der Fonds im kommenden Jahr für Deutschland. Das ist sehr, sehr wenig. Das heißt im Grunde: Die deutsche Wirtschaft stagniert. Damit ist ganz offensichtlich, dass Deutschland sein selbst gestecktes Ziel der Haushaltskonsolidierung verfehlen wird, so oder so. Am Freitag werden die Steuerschätzer für Hans Eichel ausrechnen, wie stark die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden einbrechen. Experten wie die Ökonomen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft rechnen mit einem Haushaltsloch von rund 20 Milliarden Mark. Auf der anderen Seite aber wachsen die Ausgaben: für die Bundesanstalt für Arbeit, deren Zuschussbedarf durch die Arbeitslosigkeit steigt. Für den Krieg in Afghanistan. Für die Arbeitslosen- und Sozialhilfe.

Der Bundesfinanzminister hat jetzt zum ersten Mal laut gesagt, dass er das konjunkturbedingte Zusatzloch im Haushalt im kommenden Jahr hinnehmen will, anstatt es durch größere Sparanstrengungen zu schließen. Das ist richtig. Zwar wird das staatliche Defizit gefährlich nahe an die Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent kommen, die sich die Euro-Teilnehmerländer auferlegt haben. Noch mehr sparen? Dieses Thema sollte sich Eichel für bessere Zeiten aufheben.

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