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Meinung: Zu bunt im Kessel

Die Skandale beim MDR machen deutlich, wie marode der ganze Sender ist

Als der Fernsehhimmel über Deutschland noch geteilt war, saßen die Menschen in Dresden, um Dresden und um Dresden herum im „Tal der Ahnungslosen“. Keine ARD, kein ZDF, nur DDR-Fernsehen. 20 Jahre später ist aus dem Tal der Ahnungslosen der Mitteldeutsche Rundfunk geworden.

Die ARD-Anstalt sendet für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen schütteren Journalismus vornehmlich im Ratgeberformat und Unterhaltung der tümlichen Art. „Wie klingt’s denn so im Erzgebirge?“ paart sich mit nicht enden wollenden Wiederholungen jenes „Polizeirufs 110“, als die Fahnder noch Oberleutnant und Hauptmann der Volkspolizei waren. Das Publikum im Dreiländereck ist’s zufrieden, das dritte Programm ist das erfolgreichste in der ARD. Alles so schön ostalgisch hier.

Der MDR, eigentlich eine Neugründung im Jahr 1990, war zugleich ein Sammelbecken für nicht wenige Mitarbeiter des Rundfunks der DDR. Was dort Praxis war, wurde nun Geschäftspraktik: Von oben wird angeordnet, nach unten wird ausgeführt. Alle Skandale im MDR sind Skandale auf der Führungsebene unter bravem Mittun von Mittel- und Unterbau.

Eine fehlinvestierte Millionenanleihe war das Werk eines Verwaltungsdirektors, der Millionenbetrug beim Kinderkanal die Spielidee und die Initiative eines Herstellungsleiters. Marco K. ummäntelte seine Spielsucht mit den Kränkungen, die er im Kinderkanal zu Erfurt zu erleiden gehabt hätte. Erwin Kusch hatte zu seiner Selbstheilung Helfershelfer im Sender. Wahrscheinlich auch lauter Ossi- Gekränkte.

Gerade wurde mit Udo Foht der Unterhaltungschef des MDR-Fernsehens suspendiert, weil er sein Amt und seinen Alltag miteinander „verrechnet“ hatte. Von Geschäftsgebaren und Schulden des Florian-Silbereisen-Entdeckers (!) wusste MDR-Gründungsintendant Udo Reiter, der den Vorgang an seinen Fernsehdirektor Wolfgang Vietze zwecks Erledigung weiterreichte. Der tat, wie ihm befohlen. Akte zu, Affe tot.

Reiter entschuldigte die fehlenden Kontrolle mit den „stürmischen Aufbaujahren“ des MDR, allerdings passierten die Affären erst in den Jahren, als es in Mitteldeutschland nicht mehr stürmte. Der MDR hat jene Geister, die ihn nun so peinlich plagen, selber gerufen. Gerne würde an Einzelfälle wie beim Norddeutschen Rundfunk geglaubt, wo die Fernsehfilmchefin sich unter falschem Namen Drehbuchaufträge erteilte; hier, auf den Fluren des MDR, stellt sich allerdings die Systemfrage.

Und die Gremien? Der Verwaltungs- und der Rundfunkrat geben sich bei jeder Affäre bestürzt, dann erstattet der Intendant Bericht, und schon ist wieder Ruhe im Sender. In jeder neuen Affäre liegt schon das Ritual ihrer Bewältigung begründet. Jetzt verabschiedet sich Udo Reiter in den Ruhestand, die größten Chancen auf seine Nachfolge hat Karola Wille. Sie ist seit 1996 Justiziarin des Senders und hat von diesem Tag an von nix was mitbekommen.

Die DDR lebt, nur heißt sie jetzt MDR.

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