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Meinung: Zu langsam für diese Welt

Der 11. September hat Deutschland beschleunigt.

Der 11. September hat Deutschland beschleunigt. Krieg gegen den Terror, deutscher Militäreinsatz in Afghanistan - das eine ist die Realität, das andere eine reale Möglichkeit. Die Bevölkerung akzeptiert beides. Auf die Europäische Union hat der 11. September dagegen eine ganz andere Wirkung gehabt. Der Krieg gegen den Terror hat die europäische Integration nicht beschleunigt, sondern die Unzulänglichkeiten der EU offen gelegt.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror Afghanistan: Wege jenseits der Bomben Bundeswehr-Einsatz: Deutschland und der Krieg Umfrage: Anti-Terror-Kampf ausweiten? Fotostrecke: Krieg in Afghanistan Eine europäische Innenpolitik als Antwort auf den 11. September? Weitgehend Fehlanzeige: Wer verfolgt hat, unter welchen Mühen die Einigung auf den europäischen Haftbefehl zu Stande kam, bekommt eine Ahnung vom Europa der Zukunft - und seiner Schwerfälligkeit. Dann vielleicht eine europäische Außenpolitik? Die ist leider auch nicht im Angebot. Deutschland, Großbritannien und Frankreich bestimmen weiter hauptsächlich das Geschäft. Aber eines kann die EU seit dem 11. September immerhin vorweisen: Außenpolitiker, die sich lernfähig zeigen.

Ursprünglich waren die Aufgaben innerhalb der internationalen Anti-Terror-Koalition so verteilt: Die USA, unter symbolischer Beteiligung Großbritanniens, ziehen in Afghanistan gegen die Al Qaida in den Krieg, während die EU für den diplomatischen Zusammenhalt der Anti-Terror-Koalition zuständig ist. Ohne eine stillschweigende Zustimmung der moslemischen Staaten zum Anti-Terror-Krieg wäre dieser kaum möglich. Dabei hat die EU auch immer wieder versucht, der Misere der palästinensischen Bevölkerung in den Autonomiegebieten Rechnung zu tragen. Ohne eine Lösung des Nahost-Problems, so lautete die Logik, lässt sich auch der Krieg gegen den Terror nicht gewinnen.

Dass diese Politik des Ausgleichs am Ende einen neuerlichen Ausbruch der Gewalt im Nahen Osten nicht verhindert hat, haben die Außenminister der EU inzwischen erkannt. Ihre Aufforderung an Palästinenserpräsident Jassir Arafat, das terroristische Netzwerk der Hamas und des Islamischen Dschihad zu zerschlagen, markiert einen deutlichen Richtungswechsel in der europäischen Außenpolitik, vertreten durch ihren Chefdiplomaten Javier Solana. Nach dem Appell der EU-Außenminister können die Palästinenser nun nicht mehr annehmen, die EU unterstütze die Intifada - und damit stillschweigend auch deren terroristischen Auswüchse.

Der Appell der EU-Außenminister an Arafat entspringt auch der tieferen Einsicht, dass sich die EU mit einer eigenständigen außenpolitischen Rolle im Nahen Osten überheben würde. Der eisige Empfang, den der israelische Regierungschef Scharon dem außenpolitischen EU-Koordinator Solana und dem EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi bei deren Nahost-Mission im November bereitete, sprach Bände. Bislang überzog Israels Regierung die EU mit dem Generalverdacht, am Ende doch nur eine pro-palästinensische Agenda zu verfolgen. Diesen Verdacht hat die EU nun ausgeräumt - und gleichzeitig erstmals seit Wochen wieder einen echten diplomatischen Hebel bei ihren Vermittlungsbemühungen im Nahen Osten angesetzt.

Die Europäische Union hat damit gerade noch rechtzeitig vor dem EU-Gipfel im belgischen Laeken eine Rückbesinnung auf ihre derzeitigen Möglichkeiten geschafft. Nur im Verein mit den USA kann es ihr gelingen, auf die Konfliktparteien im Nahen Osten einzuwirken. Auch sonst sieht die außenpolitische EU-Bilanz der vergangenen Monate eher bescheiden aus: Mazedonien, für das sich die Außenpolitik der 15 Mitgliedstaaten nach der Entwaffnungsaktion besonders verantwortlich fühlt, ist noch lange nicht über dem Berg. Bei der Vorbereitung des Angriffes gegen die Taliban und die Al Qaida hat sich US-Präsident Bush von Anfang an nicht an die vielstimmige EU mit ihren seltsamen Entscheidungsprozeduren gehalten, sondern an einzelne Bündnispartner. Auch bei einer Friedensmission unter UN-Mandat würden in Afghanistan wieder einzelne EU-Mitgliedstaaten wie Großbritannien an vorderster Front stehen. Die EU-Eingreiftruppe existiert zwar auf dem Papier, wäre aber für einen Einsatz in Afghanistan gar nicht gerüstet.

Wenn die Weltpolitik der EU seit dem 11. September ihre Grenzen aufgezeigt hat, hat das auch sein Gutes. Beim EU-Gipfel in Laeken soll schließlich auch schon das Fernziel einer europäischen Verfassung ins Auge gefasst werden. Außenpolitik ist bis jetzt immer noch in der Hauptsache die Domäne der Nationalstaaten. Diese Einsicht schützt davor, bei der Arbeit an einer europäischen Verfassung allzu ehrgeizig zu Werke zu gehen.

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