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Meinung: Zuckeln im Sturm Alle reden vom Wetter – die Bahn lieber nicht

Bismarck wollte die Bahnen in Staatshand haben, da sie das Rückgrat der militärischen Mobilisierung waren. Und in der Tat verdanken sich die Siege von Königgrätz, Mars-La-Tour und Sedan nicht allein dem preußischen Zündnadelgewehr und dem Genie Moltkes, sondern dem schnellen, eisenbahngestützten Aufmarsch der preußischen Armee.

Bismarck wollte die Bahnen in Staatshand haben, da sie das Rückgrat der militärischen Mobilisierung waren. Und in der Tat verdanken sich die Siege von Königgrätz, Mars-La-Tour und Sedan nicht allein dem preußischen Zündnadelgewehr und dem Genie Moltkes, sondern dem schnellen, eisenbahngestützten Aufmarsch der preußischen Armee. Sie war eher in Böhmen als die Österreicher dachten und schneller im Westen, als Napoleon kalkuliert hatte.

Dass einmal ein mittelschwerer Sturm den gesamten Bahnverkehr in Deutschland lahmlegen könnte, hätte nicht nur die Planer im Preußischen Generalstab wenig amüsiert. Die Bahn, so haben wir gelernt, ist das unverzichtbare Massentransportmittel im alten Europa. Doch wenn dieses Transportsystem schon bei Windstärken zu Boden geht, die in Amerika, Kanada oder Sibirien nur ein müdes Lächeln hervorrufen, kann irgendetwas nicht stimmen. Dass – wenn auch bedenklich wackelnde – Flugzeuge starten und landen, während die Bahn stillsteht, sagt mehr über Fehlentwicklungen als der vom Berliner Hauptbahnhof abgestürzte Eisenträger. Gewiss, konventionelle Kriege sind Gott sei Dank unwahrscheinlich geworden, doch was macht dieses Land in extremen Situationen, wenn Katastrophen oder Anschläge die schnelle Verschiebung großer Menschenmassen notwendig machen? Stellen Mehdorns Schienenfahrzeuge dann auch Transport wie Hilfe ein, weil ein paar Leitungsmasten querliegen?

Jahrelang ist nur darüber diskutiert worden, wie fit die Bahn für den Börsengang ist. Wäre es nicht an der Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie fit sie für neue Herausforderungen ist? Schließlich sind Klimawandel und Terrorgefahr nicht nur für die anderen da. In den 70er Jahren hieß das Motto der Bahn: Alle reden vom Wetter – wir nicht! Heute müsste der Satz wohl lauten: Alle reden vom Wetter – wir besser nicht!

Es ist wohl an der Zeit, dass Bismarcks Nachfolger sich nicht nur um die Wirtschaftlichkeit, sondern auch um die Funktionalität der Bahn kümmern.

Schließlich können auch Diesel- oder Dampfzüge in Extremsituationen den vornehmsten Auftrag der Bahn erfüllen, Verbindungen selbst dann aufrechtzuerhalten, wenn sonst nichts mehr geht. Doch dafür müsste ein Ersatzsystem bereitstehen und das ist teuer. Womit wir wieder bei Bismarck wären: Die Bahn ist eben auch im 21. Jahrhundert kein normales Wirtschaftsgut. Der eiserne Kanzler wusste schon, warum er sie dem Markt entziehen wollte.

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