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Meinung: Zum Äußersten entschlossen

Über 40 Tote hatten die Palästinenser am Freitag zu beklagen. Damit hat die israelische Armee umgesetzt, was Premier Ariel Scharon wenige Tage zuvor angekündigt hatte: Er wolle so lange auf die Palästinenser einschlagen, bis man mit ihnen reden könne.

Über 40 Tote hatten die Palästinenser am Freitag zu beklagen. Damit hat die israelische Armee umgesetzt, was Premier Ariel Scharon wenige Tage zuvor angekündigt hatte: Er wolle so lange auf die Palästinenser einschlagen, bis man mit ihnen reden könne. Ersteres mag dem israelischen Premier gelingen: Die Opferzahlen klettern in bisher unbekannte Höhen. Letzteres ist hingegen unwahrscheinlich: Die Palästinenser sind so entschlossen wie nie zuvor, für ihre Rechte zu kämpfen. Sie wollen sich nicht mehr auf Verhandlungen einlassen, in denen es nur um Waffenstillstände und Sicherheit für Israel geht. Sie begnügen sich nicht mehr mit einer vagen politischen Perspektive - sie wollen die Schaffung eines Palästinenserstaates in den 1967 besetzen Gebieten mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt und eine verträgliche Lösung der Flüchtlingsfrage.

Die Palästinenser führen einen nationalen Befreiungskampf mit einem klaren politischen Ziel vor Augen. Damit sind sie der israelischen Regierung trotz der Ungleichheit der Kräfte überlegen. Scharon hat bloß eine militärische Strategie, aber keine Vorstellung, wo diese hinführen soll. Denn er darf Palästinenserpräsident Jassir Arafat nicht töten und die autonomen Gebiete nicht vollständig wieder besetzen. Das geht den Amerikanern zu weit. Die fortgesetzte Bombardierung der Einrichtungen der Autonomiebehörde zeigt: Scharon hat kaum noch Möglichkeiten der Eskalation. Die Zerschlagung der Autonomiebehörde ist nurmehr eine leere Drohung. Die Behörde existiert de facto schon nicht mehr. Außerdem sind viele Palästinenser so unzufrieden mit ihr und ihrem Präsidenten, dass sie ihr keine Träne hinterherweinen. Sie steht für Korruption und erfolglose Verhandlungen mit Israel. Und auch wenn Israel die autonomen Gebiete zurückeroberte, würde Scharon nicht mehr Sicherheit für Israel erreichen. Der bewaffnete Widerstand würde weitergehen und der internationale Protest zunehmen. Es würde zudem die Spaltung der israelischen Gesellschaft vorantreiben.

Die militärische Logik Scharons ist gescheitert. Also bleibt nur eine politische Lösung. Ein Zeichen, dass dies auch Scharon langsam dämmert, ist seine Einwilligung, über einen Waffenstillstand zu reden, solange noch geschossen wird. Damit hat er seine Forderung nach sieben Tagen absoluter Waffenruhe fallen gelassen. Nur: Die Palästinenser wollen nicht über einen Waffenstillstand, sondern über ihre politischen Forderungen sprechen. Sie wollen etwa einen totalen Siedlungsstop als Zeichen dafür, dass Israel wirklich zu jenen "schmerzhaften Entscheidungen" bereit ist, von denen Scharon redet. Solch einen Siedlungsstopp kann Scharon aber nicht verkünden, weil ihm seine Regierung auseinanderbrechen würde. Aus diesem Grund kann er auch nicht auf den saudischen Friedensvorschlag eingehen.

Von Augenwischerei und Verzögerungstaktik wollen die Palästinenser nichts mehr wissen. Daher kann auch der US-Nahostbeauftragte Anthony Zinni gleich zu Hause bleiben, wenn er kein neues Mandat in der Tasche hat. Allein über Sicherheit reden zu wollen, reicht nicht. Bevor man weitere Überlegungen über die saudische Friedensinitiative anstellt, muss man abwarten, ob Scharon den Hausarrest Arafats aufhebt und ihn zum arabischen Gipfel nach Beirut reisen lässt. Ansonsten wird es von dort keinen Vorschlag geben. Was Scharon vielleicht auch lieber ist. So wird die Gewalt weitergehen und Scharon kann ein politisches Konzept weiter schuldig bleiben.

Trotz der über 40 getöteten Palästinenser vom Freitag: Die Palästinenser sind dabei, dieses Ringen zu gewinnen. Die Überzeugung, dass sie die Moral auf ihrer Seite haben, macht sie stark. Trotz aller Verluste glauben sie, den Kampf länger durchhalten zu können als die israelische Gesellschaft.

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