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Münte

© dpa

Zum Rücktritt: Was zählt, ist die Frau

Wichtiger als all die Politik und Parteien ist Franz Müntefering seine schwerkranke Frau. Das zeigt, aus welchem Holz er ist. Das zeigt auch, dass die Geschicke des Landes bei ihm in guten Händen waren. Und die Kanzlerin? Wird wohl auch dieses Mal darauf setzen, dass es die Zeit richtet.

Wer nicht weiß, was wirklich zählt im Leben, wie soll der wissen, was in der Politik wichtig ist? Franz Müntefering weiß, was zählt. Er tritt zurück, als Vizekanzler und als Arbeits- und Sozialminister, weil seine Frau schwer krank ist, weil er bei ihr sein will. Das zeigt, aus welchem Holz er ist. Das zeigt, dass die Geschicke des Landes bei ihm in guten Händen waren. Es gibt dann doch noch Wichtigeres als Politik und Parteien.

Aber einen letzten Dienst hat dieser knorrige Mann aus dem Sauerland, der mehr kann als kurze Sätze, der SPD doch geleistet. Am Tag nach der Koalitionsrunde, nachdem die Sozialdemokraten der Bundeskanzlerin „Wortbruch“ beim Mindestlohn vorwerfen, geht er. Den sieht er auch. Auch das ist ein Signal. Eines, das seine Wirkung noch entfalten kann – im Wahlkampf.

Die Koalition, ohnedies in einer schwierigen Lage, sieht noch unruhigeren Zeiten entgegen. Das ist so, obwohl die SPD die Nachfolgefrage routiniert gelöst hat, mit Frank-Walter Steinmeier als neuer Nummer eins der SPD hinter der Nummer eins im Kabinett und Olaf Scholz im Bundesarbeitsministerium. Dass Scholz das Amt ausfüllen kann, bezweifeln auch die Koalitionäre von CDU und CSU nicht. Einmal aber bedeuten neue Funktionen und neue Kabinettsmitglieder zwangsläufig, dass sich die eingespielte Routine im Kabinett ändern wird; man wird sich aneinander gewöhnen müssen. Was noch bedeutsamer ist: Nun passiert, was nicht passieren durfte – das I. Kabinett Merkel fällt zur Halbzeit auseinander. Eigentlich, ja eigentlich müsste das zur Zäsur werden.

Denn inhaltlich gesehen gibt es einiges zu behandeln. Oder wenigstens offen auszusprechen: Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee bringt seine Bahn-Reform nicht auf die Schiene und macht auch sonst den Eindruck, dass Politik ihm mehr geschieht, als dass er sie gestalten will. Wirtschaftsminister Michael Glos wird von (fast) allen Seiten die Kompetenz bestritten, brillant ist nur seine Ironie. Bildungsministerin Annette Schavan hat es so weit gebracht, dass sich das Ministerium zu großen Teilen SPD-Vorgängerin Edelgard Bulmahn zurückwünscht, hinzu kommt, dass weite Teile von CDU und Kirche ihre Haltung in Stammzellfragen ablehnen. Wolfgang Schäuble, der Innenminister, einer, von dem man das nie dachte, wird immer wieder zum Störfall in der Koalition, Verteidigungsminister Franz Josef Jung muss sich zu oft selbst verteidigen … Die Statik verhindert, dass sich hier mehr tut. So werden sie denn weiterwerkeln. Und die Chance vertun.

Die Kanzlerin wird auch dieses Mal darauf setzen, dass es die Zeit richtet. Pragmatisch bis zum Letzten, bis entweder alle des Streitens müde sind oder sie die SPD kleinmoderiert hat. Nur, wenn Müntefering nicht mehr da ist, heißt das noch nicht, dass der Post-Mindestlohn kein Thema mehr wäre, im Gegenteil, hier wird Erbe Scholz Stehvermögen beweisen wollen. Auch um seiner Partei einen Dienst zu erweisen, sei es für den Wahlkampf. Und nur weil Steinmeier ein ähnlich getreuer Ekkehard der Koalition zu werden verspricht wie Müntefering, weil er die von ihm mitbestimmten Koalitionsvereinbarungen zu halten versteht, heißt das nicht, dass er aufhört, den Kurs der Kanzlerin auf seinem Gebiet für grundfalsch zu halten. Außerdem: Steinmeier, zum Vizekanzler geadelt, wird umso mehr das Terrain für eine Kanzlerkandidatur sondieren können. Und Kurt Beck, der SPD-Vorsitzende, kann das alles von seiner Warte aus beobachten.

Innen wie außen gibt es also große Themen zu bewältigen. Zu schweigen von denen, die da noch kommen könnten. Ein Stichwort mag genügen: Iran. Das kann schnell zur ultimativen Herausforderung werden.

Die Zeit wird über alles richten. Das Urteil über Franz Müntefering steht fest. Frei nach der alten römischen Formel: Er hat sich um Deutschland verdient gemacht. Und um die SPD. Seine Genossen, von Gerhard Schröder bis Kurt Beck, werden es noch besser wissen. Soll keiner sagen, er ginge wegen Merkel. Das wäre zu einfach, zu billig. Er geht, weil er gehen muss. Deshalb so kurz, wie er es mag: Respekt.   

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