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Meinung: Zurück hinter den Bergen

Die CSU konnte bei der Bundestagswahl zulegen, ihr Einfluss ist aber gesunken

Von Robert Birnbaum

Die CSU hat es auch nicht leicht in diesem Jahr. Man merkt das nur nicht so schnell, weil es einer bayerischen Staatspartei nicht gut ansteht, Unbehagen offen zu zeigen. Verbale Raufhändel mit dem politischen Gegner gehören einfach zu lange schon zur bajuwarischen Politfolklore, was außerhalb der weiß-blauen Landesgrenzen meist das Missverständnis auslöst, hinter den starken Worten stecke ein starkes Selbstbewusstsein. So ist es aber nicht. Die unerwartete Wahlniederlage im Oktober hat tiefe Spuren hinterlassen, viel tiefere als in der CDU. Dort halten sich bei den Spitzenleuten generelle Enttäuschung und die je speziellen Hoffnungen auf Neues in etwa die Waage. Bei der CSU ist nichts im Lot. Sie leidet.

Eigentlich weiß die Bayern-Partei nämlich nicht, wie weiter. Ihr Kanzlerkandidat hat sich ehrenvoll geschlagen, ist aber eben am Ende doch geschlagen worden.

Edmund Stoibers fulminantes Abschneiden mit über 60 Prozent in Bayern macht sein Scheitern im Großen nur um so schmerzlicher, aus Münchener Sicht sogar vollends unverständlich. Seitdem ist die CSU zurückgeworfen auf Bayern. Der Wahllügen-Ausschuss war eben nicht die Idee von Edmund Stoiber, sondern von Roland Koch. Aber es ist bezeichnend, dass der CSU-Landesgruppenchef Michael Glos der Erste war, der sich über das Wahlergebnis, damals noch halb im bitteren Scherz, mit der Formel vom rot-grünen Betrug am Wähler hinwegzutrösten versuchte. Inzwischen gerät die tröstliche Deutung, Stoiber wäre eben doch der Bessere gewesen, wenn es die Leute nur rechtzeitig hätten merken können, in den Rang einer christsozialen Parteidoktrin.

Nun steht sie da, die CSU, siegreich geschlagen, in der Niederlage unbesiegt. Die Abgeordneten der CSU-Landesgruppe im Bundestag, die sich dieser Tage zur Traditionsklausur in Wildbad Kreuth treffen, sind zahlreicher denn je. Numerisch ist das Gewicht der CSU in der Union deutlich gestiegen. Nur anfangen kann sie mit der Kraft wenig. Stoiber geistert noch ein bisschen als nachwirkender Kanzlerkandidat durch die Szenerie, aber nicht mehr lange. Im Herbst sind in Bayern Landtagswahlen. Dass Stoiber glänzend bestätigt wird, steht außer Frage. Aber bestätigt wird damit auch die Rückkehr zur Rolle des bayerischen Ministerpräsidenten – eines starken, aber eben eines Regionalfürsten. Und – das ist anders als in den zurückliegenden Jahren – eines CSU-Chefs, der in der Union zwar noch ein gewichtiges Wort mitzureden, aber keine Karriere mehr vor sich hat.

Was dem Wort einiges Gewicht nimmt. Diese Aussicht trägt natürlich dazu bei, dass die CSU nicht umstandslos zu der Rolle zurückfinden kann, die sie selbst lange als die ihre definiert hat: die des Antreibers, des bisweilen lautstark dröhnenden Motors der Union. Stoiber kann und will ja auch nicht seinen eigenen Wahlkampf dementieren, der im Gegensatz zur verbreiteten Wahrnehmung keinen massiv mit Kreide gefütterten, sondern einen relativ authentischen, aber eben gemäßigten Stoiber gezeigt hat.

Stoiber will sachlich und konstruktiv bleiben, seine Leute in Berlin – in die Fraktionsdisziplin zur Vorsitzenden Angela Merkel eingebunden, die ihrerseits konstruktive Kanzlerfähigkeit unter Beweis stellen muss – werden es bleiben müssen. Jedenfalls so lange, wie noch nicht klar ist, ob Roland Koch vom potenziellen zum realen Konkurrenten Merkels wird. Dann erst würde in der Union eine Kampflinie entstehen, an der die CSU als Hilfstruppe des ihr ideologisch näher stehenden Hessen Position beziehen könnte.

Glos hat zum Auftakt der Kreuther Klausur die Erkenntnis beigesteuert, dass alle in einem Boot sitzen, und dass es darum unvernünftig wäre, in dessen Rumpf Löcher zu schlagen. Er hat das mit Blick auf das Verhältnis der Opposition zur Regierung gemeint. Es gilt erst recht für die Rolle der CSU in der Union.

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