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Meinung: Zurückbleiben, bitte

Von Gerd Nowakowski

Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will. So reimte die Arbeiterklasse, als es sie noch gab. Heute im Morgengrauen werden die Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe es noch einmal mit der Losung versuchen und den Berufsverkehr lahm legen. Die Sympathie für die Streikaktion wird sich bei den BVGNutzern in Grenzen halten. Das wird vermutlich den Funktionären der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und den Personalräten des landeseigenen Nahverkehrsbetriebs, die ab und zu noch den Eindruck erwecken, als sei es ihnen gleichgültig, wer unter ihnen BVG-Chef ist, ziemlich egal sein. Schließlich können sich schon im Normalbetrieb viele Mitarbeiter nur schwer damit anfreunden, dass sie Dienstleister sind, die vor allem für die Kunden da sind.

Es ist auch durchaus ein gutes Recht der Gewerkschaft, für die Interessen ihrer Mitglieder zu kämpfen. Wenn sie sich bloß nicht verkämpft. Denn die starken Arme der Busfahrer und die große Zahl der gewerkschaftlich organisierten BVGler machen möglicherweise ein wenig blind für die Probleme. In eine erfolgreiche Zukunft wird das traditionsreiche Verkehrsunternehmen nämlich nur dann fahren, wenn die hohen Verluste reduziert werden, der Service besser wird und der Betrieb fit gemacht wird für den europäischen Wettbewerb. Ab 2008 nämlich endet das Monopol der BVG; ab diesem Zeitpunkt kann sich auch die Konkurrenz um die dann auszuschreibenden Strecken bewerben. Und diese Unternehmen haben deutlich niedrigere Tarife: Das Gehalt der Angestellten und Fahrer liegt nach Angaben der BVG bisher rund 30 Prozent über dem Niveau privater Betriebe. Und außerdem hat die BVG inzwischen einen Schuldenberg von rund einer Milliarde Euro angehäuft.

Wenn Finanzsenator Thilo Sarrazin den Abschluss eines neuen Tarifvertrags mit Gehaltseinbußen verlangt, dann kann er zudem darauf verweisen, dass die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Berlin im Solidarpakt weit größere Zugeständnisse gemacht haben, um ihre Arbeitsplätze zu retten. Das verschweigt Verdi. Wer sich nur auf seinen starken Arm verlässt, der kann leicht unter die Räder kommen. Und die ganze BVG dazu.

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