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Meinung: Zurückgeschrieben: "Warum ist die Polizei nicht fair?"

Die Leserfrage Betrifft: Proteste gegen den Castor-Transport ins Atommüll-Endlager GorlebenSehr geehrter Herr Schilyaußerhalb des Wendlandes scheint keiner verstehen zu wollen, wie es uns ergeht. Helfen Sie mir bitte, meinen Kindern zu erklären, warum die Straßen abgeriegelt werden und Polizei in Kampfuniformen die Wege versperrt.

Die Leserfrage

Betrifft: Proteste gegen den Castor-Transport ins Atommüll-Endlager Gorleben

Sehr geehrter Herr Schily

außerhalb des Wendlandes scheint keiner verstehen zu wollen, wie es uns ergeht. Helfen Sie mir bitte, meinen Kindern zu erklären, warum die Straßen abgeriegelt werden und Polizei in Kampfuniformen die Wege versperrt. Ich habe bei dem letzten Castor-Transport im März 2001 gesehen, wie die Polizei mit Gummiknüppeln plötzlich die dicht gedrängten Menschen an den Absperrungen zum Verladekran zurückdrängte. Mit diesen Menschen hatte ich eine Stunde zuvor noch auf den Kirchenbänken beim gemeinsamen Gottesdienst von Polizei und Gemeinde gesessen.

Und dann schossen einige Chaoten mit Leuchtpistolen über die Köpfe hinweg: schwarz bekleidete Gestalten, offensichtlich gewaltbereit. Sie waren den ganzen Tag schon durch Dannenberg geschlichen, wurden aber nicht abgefangen und in Gewahrsam genommen. Man ließ sie gewähren - und später hielten sie vor aller Öffentlichkeit als Belege für die Gewaltbereitschaft der Bevölkerung von Lüchow-Dannenberg her. Wer die Castor-Transporte nicht erlebt hat, kann nicht verstehen, wie entwertet die Menschen sich hier fühlen. Können wir hoffen, etwas fairer behandelt zu werden?

Stefan Nilius, Dannenberg

Schilys Antwort

Sehr geehrter Herr Nilius

Sie sind gemeinsam mit anderen Demonstranten in die Kirche gegangen, dies ist ein schönes Zeichen, dass Sie wie viele andere friedlich demonstrieren wollten. Umso bedauerlicher ist es, dass einige gewalttätige Chaoten dann im Laufe der Demonstration mit Leuchtpistolen, mit Steinen, mit direkten Angriffen auf Polizeibeamte diesen Frieden brachen. Solche Gewalttätigkeiten muss die Polizei mit der gebotenen Härte verhindern. Dafür bitte ich Sie und alle anderen friedlichen Demonstranten um Verständnis. Versetzen Sie sich einmal in die Lage der jungen Polizeibeamtinnen und -beamten, die im Auftrag des Rechtsstaates und damit auch im Auftrag der Bürger dort eingesetzt werden und sich dann Pöbeleien und körperlichen Attacken ausgesetzt sehen. Sie sichern das Recht und werden dafür beschimpft und angegriffen - auch Sie als rechtstreuer Demonstrant können das nicht gutheißen.

Deshalb frage ich Sie: Warum setzen die Organisatoren solcher Proteste nicht Ordner ein, die Gewalttäter aus dem Kreis der friedlich und rechtmäßig Demonstrierenden ausschließen? Und warum fordern die friedlichen Demonstranten diese Gewalttäter nicht dezidiert auf, sich aus ihrer Nähe zu entfernen? Dann hätte es nicht nur die Polizei leichter, diese Menschen dingfest zu machen, dann würde auch der Verdacht zerstreut, dass diese Gewalttäter von anderen Demonstranten durchaus gern gesehen sind.

Friedliche Demonstrationen sind praktizierte Bürgerverantwortung. Zur Bürgerverantwortung gehört es dann aber auch, sich nicht nur selbst friedlich zu verhalten, sondern für den friedlichen Verlauf einer Demonstration insgesamt zu sorgen. Der Bürger einer zivilen Gesellschaft sollte Bürgerverantwortung auch dadurch übernehmen, dass er auf seinen (Demonstrations-)Nachbarn einwirkt, wenn der die Grenzen des Rechts überschreitet. Ich bitte alle Verantwortlichen deshalb, das Gespräch mit der Polizei zu suchen. Der Polizeiführung liegt sehr daran, dass unser Grundrecht auf friedliche Demonstrationen respektiert wird. Wenn sie gegen Gewalttäter vorgeht, schützt sie nicht nur den Rechtsstaat, sondern auch Ihr ganz persönliches Recht auf friedliche Demonstrationen. Daran sollte Ihnen genau wie mir gelegen sein.

Es grüßt Sie freundlich Ihr Otto Schily

Betrifft: Proteste gegen den Castor-Transport ins

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