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Meinung: Zuwanderung: Weniger ist manchmal mehr

In Gefahr und höchster Not bringen einen manchmal die eigenen Freunde in Bedrängnis. Die meinen es besonders gut, handeln aus dem Bauch heraus und machen dann eine ohnehin schon schwierige Situation noch komplizierter.

Von Hans Monath

In Gefahr und höchster Not bringen einen manchmal die eigenen Freunde in Bedrängnis. Die meinen es besonders gut, handeln aus dem Bauch heraus und machen dann eine ohnehin schon schwierige Situation noch komplizierter. Etwa so, wie im Streit um das Zuwanderungsgesetz die Grünen aus Nordrhein-Westfalen nun mit markigen Worten ihre Berliner Parteifreunde im Kampf mit Innenminister Otto Schily antrieben: Die Landtagsfraktion kündigte an, sie werde die Regierung in Düsseldorf dazu verpflichten, im Bundesrat gegen Otto Schilys Gesetzentwurf zu stimmen, falls der nicht nachgebessert werde.

Die Demonstration von Stärke gegenüber dem Koalitionspartner der Grünen in der Bundesregierung kam ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da die Parteifreunde in Berlin den Gipfel ihrer öffentlichen Empörung über Otto Schilys Zumutungen schon hinter sich gelassen hatten. Ein paar Tage hatten Partei- und Fraktionsspitze in der Hauptstadt gebraucht, um den Gestus der kollektiven Empörung zu überwinden, der in der Woche der Bedrängnis einen Hauch von Hysterie in die Debatte um die Zuwanderung gebracht hatte - ein Ton übrigens, an dem nicht die Grünen allein die Schuld trugen. Spätestens nach der unerfreulichen Koalitionsrunde in der Nacht zum Freitag schien es so, als wollten die Grünen nichts mehr wissen von jenem Auftrag des Innenministers, dem sie selbst zugestimmt hatten: Die Union bei der Zuwanderung ins Boot zu holen. Wer diesen breiten gesellschaftlichen Konsens befürwortet, dem musste immer klar sein: Wenn Otto Schily die Union einbinden will, dann können die Grünen viele ihrer Forderungen nicht durchsetzen.

Angst um die Wiederwahl

Natürlich ist Otto Schily gerade für die Grünen ein schwieriger Konterpart - und bei manchen seiner Gesprächspartner trifft er wohl auf genau jene Haltung der Unbedingtheit, die ihn vor Jahren von den Grünen weggetrieben hatte. Aber die Grünen sollten ihn gut genug kennen, um zu wissen, dass der Innenminister auch für seine eigene Partei manchmal eine Zumutung darstellt. Stilistische Provokationen mit Provokationen in der Sache zu beantworten, kann die Grünen deshalb nicht zum Ziel führen.

Manche Grüne fragen sich inzwischen, ob man als kleinerer Koalitionspartner wirklich so gut beraten war, auf einen Referentenentwurf vergangene Woche mit einem Parteiratsbeschluss zu reagieren, der wenig Spielraum lässt. Natürlich wollen die Grünen als Partei keinen Schaden nehmen, wenn Deutschland nach ihrer jahrelangen Vorarbeit nun ein modernes Zuwanderungsrecht bekommt. Aber über diese Furcht scheinen ihnen die Maßstäbe verloren gegangen zu sein: Setzt man die nun strittigen Punkte in Verhältnis zum politischen Fortschritt, der möglich ist, dann verlieren die Einwände an Gewicht. Bei vielen Politikern der Grünen regiert jedoch wenige Monate vor der Listenaufstellung für die Bundestagswahl eben nicht die kühle Vernunft. Manche scheinen wie getrieben von der Angst, ein Nachwuchspolitiker aus der Provinz könne sie beim Bekenntnis zu den Menschenrechten übertreffen und damit auf einem Parteitag punkten.

Je weniger Grünen-Politiker in Berlin in den kommenden Tagen öffentlich die Existenzfrage stellen, um so wahrscheinlicher wird die Einigung. Die Signale aus der SPD zeigen, dass der große Partner durchaus willens ist, mit Zugeständnissen eine Einigung zu ermöglichen - wenn nur damit die Tür hin zu einer Verständigung mit dem moderaten Teil der Union nicht zugeschlagen wird. Anders als bei der Auseinandersetzung um die Steuerreform im vergangenen Jahr bringt es der rot-grünen Regierung gar nichts, wenn die Stimmen von Großen Koalitionen im Bundesrat ihr zur Mehrheit verhelfen. Politik im Interesse einer Wählerminderheit können die Grünen deshalb nicht mehr durchsetzen. Wenn die SPD ihnen gestattet, ihr Gesicht zu wahren, werden auch sie einen Preis bezahlen, um möglichst viele Unionspolitiker einzubinden.

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