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Meinung: Zwei Mal ungenügend

Rot-Grün setzt nur auf Nachfrage, die Union nur auf Angebot Von Heribert Meffert

Angesichts der dramatischen Situation am Arbeitsmarkt treffen sich Regierung und Opposition zu einem Jobgipfel. Dabei hat die Union vor allem die Entlastung der Unternehmen im Blick und setzt auf Angebotspolitik: Sie will den Bürokratieabbau weiterführen, Kündigungsschutz und Arbeitszeitrecht flexibilisieren, betriebliche Bündnisse für Arbeit erleichtern und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken. All dies schafft wichtige Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung.

Die Union nimmt allerdings kurzfristig eine weitere Dämpfung der Binnennachfrage in Kauf: Niedrigere Lohn oder Transfereinkommen und größere Risiken für den Einzelnen schmälern die Kauflust. Geringere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind nicht kostenlos und erfordern Einsparungen an anderer Stelle. Dabei ist gerade die geringe Binnennachfrage ein zentrales Element der derzeitigen Wachstumsschwäche. Niedrige Arbeitskosten und Bürokratieabbau führen nur dann zu neuen Beschäftigungsmöglichkeiten, wenn die Unternehmen wachsende Märkte bedienen und investieren wollen. Die Vorschläge der Union sind deshalb als Antwort auf die hohe Massenarbeitslosigkeit alleine wenig überzeugend.

Daher hat die Bundesregierung auch völlig andere Vorstellungen zur Lösung der Jobmisere. Mit Blick auf anstehende Wahlen sind alle Vorschläge, die zu neuerlicher Verunsicherung ihrer traditionellen Klientel führen könnten, wenig willkommen. Stattdessen setzt sie auf nachfrageseitige Maßnahmen, wie Bildungsinvestitionen oder staatliche Unterstützung bei der Altbausanierung zur Stimulierung privater Investitionen. Allerdings ist zu befürchten, dass solche Impulse kaum zusätzliche Beschäftigung schaffen, sondern vielmehr wie frühere Konjunkturprogramme schnell und wirkungslos verpuffen.

So stehen sich in Deutschland einmal mehr zwei unzureichende Reformkonzepte gegenüber. Die Regierung schreckt vor weiteren angebotspolitischen Reformen vor den nächsten Wahlen zurück. Die Opposition ignoriert die Nachfrageschwäche. Die Politiker sollten aber mit beiden Augen auf die Probleme blicken: mit dem einen auf das Angebot, mit dem anderen auf die Nachfrage. Der Jobgipfel kann nur ein Erfolg werden, wenn man die vorgelegten Reformkonzepte sinnvoll zusammenführt.

Nach den überfälligen Arbeitsmarktreformen muss nun dafür gesorgt werden, dass die Wirtschaft wieder wettbewerbsfähige Arbeitsplätze schafft. Länder wie Großbritannien und Dänemark zeigen, wie es mit kluger Kombination aus Angebots- und Nachfragepolitik und lagerübergreifendem Pragmatismus rasch gelingen kann, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt anzukurbeln. Dabei gehen die Senkung und Flexibilisierung der direkten Lohn- und der Lohnnebenkosten, das Schaffen unternehmerischer Freiräume durch Deregulierung und Bürokratieabbau sowie eine intelligente Förderung der privaten Nachfrage Hand in Hand.

Ein solcher „Pakt des Pragmatismus“ darf nicht von Ideologie oder politischer Taktik getrieben sein, er muss eine gemeinsame Reformstrategie vor Augen haben. Nur dann ergäbe er Sinn.

Der Autor ist Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung.

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