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Meinung: Zwischen den Stühlen

Joschka Fischer weiß, dass eine UN-Reform gegen die USA nicht im deutschen Interesse sein kann

Von Hans Monath

Wer eine Reise tut, kommt nicht immer reicher an Einsichten zurück, als er losgefahren ist. Außenminister Joschka Fischer hat diese Woche aus Washington zumindest keine öffentlichen Unterstützungssignale für den deutschen Wunsch nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat mitbringen können. Deutlich hat Fischers Kollegin Condoleezza Rice beim gemeinsamen Pressestatement nur gemacht, dass sich ihre Regierung im Hinblick auf den deutschen Wunsch partout noch nicht festlegen will und von allen Kandidaten allein Japan bei einer Erweiterung als gesetzt ansieht.

Doch hatte der Besucher aus Deutschland auch nicht erwartet, dass er das State Department mit einer offiziellen Empfehlung verlassen würde – schließlich sieht die US-Regierung die Sicherheitsrats-Erweiterung insgesamt skeptisch. Auch sind bislang keine amerikanischen Versuche bekannt geworden, durch Versprechungen oder Druck Stimmung gegen die deutsche Bewerbung zu machen. Das ist fast schon erstaunlich. Denn manche Freunde einer wichtigeren Rolle Deutschlands in den UN erwarten, dass der Kandidat dort wie zu Zeiten der Irakdebatte die amerikanische Dominanz konterkariert. In der Bundesregierung gibt es deshalb auch Stimmen, die gar nicht unglücklich sind über die Distanz der US-Regierung: Sie fürchten, dass eine frühe amerikanische Empfehlung für Deutschland bei der Entscheidung in der UN-Vollversammlung rund 30 Stimmen kosten könnte.

Ist Deutschland aber tatsächlich angewiesen auf die amerikanische Unterstützung seiner Bewerbung – oder gibt es einen Weg in den diplomatischen Olymp auch ohne oder gar gegen die Supermacht?

Zwei Antworten gibt es auf diese Frage – eine verfahrenstechnische und eine politische. In der Vollversammlung könnten auch die USA eine Zweidrittelmehrheit für eine Aufstockung des sicherheitsrats mit deutscher Beteiligung nicht verhindern – wohl aber später die Ratifizierung verweigern.

Politisch wäre es aber auch für die Großmacht heikel, sich gegen den Beschluss einer überwältigenden Mehrheit der Staatengemeinschaft zu stellen. So haben die USA vor drei Jahrzehnten zwar die Wahl Chinas zu einem ständigen Ratsmitglied heftig bekämpft, aber faktisch nach der Entscheidung nicht mehr verhindert.

Tatsächlich aber wäre es für Berlin gefährlich, sich offensiv gegen Washington zu stellen. Eine UN-Reform gegen die USA ist nicht in deutschem Interesse. Nach Fischers Überzeugung können die UN nur dann bessere Arbeit leisten, wenn Amerika sein eigenes Interesse an einer funktionierenden Weltorganisation erkennt. Ob dagegen der Kanzler, wenn es denn eng werden sollte im September kurz vor der Wahl, der Versuchung zum Auftrumpfen gegen George W. Bush widerstehen könnte, darf als offene Frage gelten.

Bekanntlich hat sich Deutschland mit Japan, Brasilien und Indien zur G4 genannten Aspirantengruppe zusammengetan. Das Angebot der G4, zunächst 15 Jahre lang auf das Vetorecht eines ständigen Ratsmitglieds zu verzichten, ist aus deutscher Sicht keine Niederlage, sondern nur das Ausspielen eines taktischen Mittels.

Die rot-grüne Außenpolitik hat immer durchblicken lassen, dass sie das Vetorecht nicht ernsthaft anstrebte, sondern aus Rücksicht auf die Statuswünsche von Mitbewerbern wie Japan eher pro forma forderte. Die rot-grüne Außenpolitik geht davon aus, dass nur Großmächte das nötige Gewicht mitbringen, ein solches Instrument zu handhaben. Es ist auch schwer vorstellbar, dass sich die – quer durch alle Bundestagsparteien – dem Ausgleich und Miteinander verpflichtete Mittelmacht Deutschland allein gegen den Rest der Welt stellen könnte. Schließlich soll der neue Status als Gestaltungmittel genutzt werden und nicht als Instrument der Verhinderung.

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