zum Hauptinhalt

Meinung: Zwischen den Stühlen

Russland ist wichtig – aber mit Amerika verbindet Deutschland mehr als Interessen

Nach der Entscheidung der Bremer SPD, nicht mehr mit der CDU, sondern mit den Grünen zu regieren, mehren sich Spekulationen über die Endlichkeit des Berliner Bündnisses der Volksparteien. Während dafür vor allem fehlende innenpolitische Schnittmengen ursächlich sind, tut sich ein wirklich dramatischer Konflikt jedoch auf dem Feld der Außenpolitik auf.

Es geht um das deutsche Verhältnis zu Russland und den USA. Auslöser der Debatte war der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck mit seiner Forderung, Deutschland „müsse gleiche Nähe haben zwischen uns und Amerika einerseits, uns und Russland andererseits“. Diese Überlegung steht in Kontinuität zu den außenpolitischen Grundlinien des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Er hatte mit der Vorstellung einer solchen Äquidistanz den außenpolitischen Spielraum der Bundesrepublik erweitert, ihn durch den Stil seiner in der Sache richtigen Ablehnung des Irakkrieges indes schnell wieder eingeengt, weil er die neue Bewegungsfreiheit nicht mehr zu nutzen wagte.

Struck bezieht sich mit seiner Äußerung tatsächlich nicht nur auf Schröder, sondern reflektiert auch die Denkschule von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Der scheint, anders als die Kanzlerin, selbst um den Preis größerer Zurückhaltung bereit, eine deutsch- russische Sonderbeziehung zu pflegen. Der Verlauf des EU-Russland- Gipfels in Samara hat nun gezeigt, wie wenig realistisch diese Einschätzung ist. Der bislang eher diplomatisch ausgetragene Streit über Moskaus Umgangsformen gegenüber den osteuropäischen EU- Mitgliedern und der Opposition im eigenen Land ist seitdem virulent.

Deutschland ist dadurch in eine schwierige Lage gekommen. Seit den späten 60er Jahren zählt das Bemühen um ein Einvernehmen mit Moskau zu den Konstanten bundesrepublikanischer Außenpolitik. Das wurde von den Bündnispartnern zwar immer wieder mit Misstrauen verfolgt, hat sich aber als erfolgreich erwiesen, solange Bonn an seiner Verankerung in der Nato und an der Seite Amerikas keine Zweifel aufkommen ließ. Damit wäre es vorbei, würde aus der Äquidistanz-Theorie Regierungshandeln. Deutschland stünde mit dieser Position allein. Frankreich, in der Krise um Irak noch an der Seite Deutschlands, will in der Ära Sarkozy, wie er es ausdrückte, zwar nicht der Pudel, aber enger Freund der USA sein. Die Beziehungen Englands zu Russland sind durch die dramatischen Entwicklungen um den Gifttod des Ex-Spions Litwinenko auf einem Tiefpunkt. Die osteuropäischen Staaten verfolgen das Geschehen in Russland mit Misstrauen und fühlen sich nur dank Amerikas sicher.

In dieser Situation kann es richtig sein, dass Deutschland seine guten Dienste als Gesprächsvermittler anbietet. Hingegen klingt die Vorstellung einer gleichen Distanz zu Amerika wie zu Russland abenteuerlich. Mit den USA verbinden uns nicht nur Interessen, sondern Werte. Wenn George W. Bush bald nicht mehr Präsident ist, wird das hoffentlich auch der SPD-Spitze wieder auffallen.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false