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Menschen stehen Schlange, um Cash aus dem Geldautomat einer geschlossenen Bank in Nikosia zu bekommen.

© dpa

Zypern in der Krise: Farce im Mittelmeer

Noch immer gibt es EU-Mitgliedsländer, die bei den Verhandlungen zu milliardenschweren Rettungsschirmen pokern, anstatt verantwortungsvolle Politik zu machen. Die Erkenntnis, dass es so nicht weitergeht, fehlt. Eine Pleite Zyperns könnte daran etwas ändern.

Jeder weiß jetzt, wo Zypern liegt, durch die Tagesschau ist jeder vertraut mit der interessanten Innenpolitik dieser kleinen Insel und sogar, wie die Hauptstadt heißt, weiß der eine oder andere. Dass Zypern in diesen Tagen allen so vertraut ist, könnte Beweis sein für ein lebendiges europäisches Gemeinwesen, das immer weiter zusammenwächst und in dem sogar die Kleinen etwas zu sagen haben. Doch die plötzliche Bedeutung Zyperns ist etwas anderes: eine Farce. So soll plötzlich eine Insel systemrelevant sein, für die sich das System bisher so wenig interessiert hat, dass ihre Banken machen konnten, was sie wollten. So trifft die zyprische Regierung Absprachen mit den Europäern, für die dann kein einziger Abgeordneter im Parlament den Arm hebt. Von Griechenland wurden Merkel & Co noch erpresst, von Zypern werden sie am Nasenring durch die Manege gezogen. Wer Sinn für solche Kategorien hat, mag das demütigend finden; Ausdruck von politischer Handlungsfähigkeit ist es auf keinen Fall.

Vor allem aber ist der Fall Zypern Beleg für die Tatsache, dass die bisherige Euro-Rettungspolitik noch nicht einmal eines erreicht hat: Klarheit darüber, was in Europa richtig läuft und was falsch. Dass Angela Merkel am gestrigen Freitag, nach Jahren der Krise, in Richtung zyprischer Regierung sagen konnte „Wir werden weiterhin darauf hinweisen, was auf dem Spiel steht“, bedeutet eben, dass es in der EU Mitgliedsländer gibt, die bei allen milliardenschweren Rettungsschirmsitzungen mit am Tisch saßen und noch immer nicht wissen, was auf dem Spiel steht. Die noch immer pokern, statt verantwortliche Politik zu machen.

Dass das so ist, kann man auch der Kanzlerin vorwerfen. Merkel betreibt in der Euro-Krise pädagogische Politik: Geld gibt es nur gegen Auflagen. Sie versucht damit zwei Dinge auf einmal durchzusetzen, einen langfristigen Strukturwandel in den betroffenen Ländern und gleichzeitig deren wirtschaftliche Gesundung. Wie die aktuelle ökonomische Entwicklung zeigt, lassen sich beide Ziele nicht zugleich erreichen, schlimmer noch: Die ausbleibende wirtschaftliche Wende diskreditiert die Reformen, behindert den Erkenntnisprozess und provoziert den Rest der EU offenbar so sehr, dass sie Hitlerbärte malen müssen.

Der Versuch der Deutschen, die Verantwortung für andere Länder zu übernehmen, hat bisher nicht zum Erfolg geführt. Denn das, was dafür nötig ist, kann nicht von außen kommen. Die Erkenntnis zum Beispiel, dass Silvio Berlusconi schlecht für ihr Land ist, kann den Italienern niemand aufzwingen. Darauf müssen sie selber kommen. Ohne solche Erkenntnisse wird sich die Krise fortsetzen, denn ohne eine gemeinsame Deutung der Lage wird es niemals eine gemeinsame Lösung geben können. Und so zeigt das kleine Zypern, indem es sich der Verantwortung für das System entzieht, wieder einmal die Grenzen der politpädagogischen Fähigkeiten der Kanzlerin auf.

Die Pleite von Lehman Brothers gilt als Kardinalfehler, der 2008 einen ökonomischen Dominoeffekt ausgelöst hat. Doch vermutlich hat erst die Pleite der traditionsreichen Bank die Augen für das Ausmaß der Krise geöffnet. Erst danach hat sich politisch und gesellschaftlich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es so nicht mehr weitergeht. Im Europa der Euro- Krise fehlt, wie man an Italien oder Zypern sieht, diese Erkenntnis noch immer. Und eher als irgendwelche Hinweise Merkels auf das, was auf dem Spiel steht, könnte eine Pleite Zyperns daran endlich etwas ändern.

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