Historische Automobile haben es Ralf von Hagen schon seit seiner Kindheit angetan. Die Technik, die Formen, die Geschichte - all das hat ihn in jungen Jahren fasziniert. Mit 17 kaufte er sein erstes Auto, einen Opel Super 6 Baujahr 1937. Obwohl die Beschaffung von Ersatzteilen zu DDR-Zeiten nicht gerade eine leichte Aufgabe war, schaffte es der junge von Hagen den Oldie innerhalb eines Jahres zu restaurieren. Die Leidenschaft, die damals entstand, ist bis heute sein Antrieb. Nach der Wende nahm Ralf von Hagen richtig Fahrt auf. Erst wurde ein Opel Blitz aus den alten Bundesländern beschafft - es wurde ein Feuerwehr-Auto.

Fundgrube in der Region
Die Nach-Wende-Zeit war im Kreis Wittenberge, wie in den meisten anderen Gegenden der ehemaligen DDR, eine Zeit des Abbaus. Bis dahin gab es in der Kleinstadt im Nordwesten Brandenburgs drei Betriebe mit mehr 1000 Beschäftigten. Alleine in Wittenberge wurden dann vier Betriebsfeuerwehren aufgelöst. Die Abwicklung der Wirtschaft einer ganzen Region wurde für Ralf von Hagen zur Fundgrube für seine Sammlung. So konnte er wenigstens einen Teil dieses Erbes retten. Dazu wurde er sogar Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Im Laufe der Zeit eignete er sich immer mehr Wissen über Material und Technik an. "Ständige Weiterbildung war mein Metier. Nur so konnte ich meine Sammlung erweitern", sagt Ralf von Hagen zurückblickend.
Seine Brötchen verdient der Sammler bis heute in der Medizintechnik. Als ausgebildeter Diplom-Ingenieur betreute er schon zu DDR-Zeiten die Technik von Operationssälen, Rettungswagen und Notarztfahrzeugen. So kam er Mitte der neunziger Jahre dienstlich nach Perleberg, wo er beim Deutschen Roten Kreuz einen ausgedienten Barkas B1000 als Krankenwagen fand. Da gab es natürlich kein Widerstehen für den Sammler. Zum Schrottpreis kaufte er schließlich das Fahrzeug.

"Die erklärten mich für verrückt"
Mittlerweile hatten sich schon einige Freunde Ralf von Hagen angeschlossen und unterstützten den Sammler nach Möglichkeit in seinem Hobby. Vor allem die Kollegen von der Feuerwehr waren der Meinung, dass nach den roten Feuerwehrautos und den weißen Krankenwagen nun noch Polizeifahrzeuge fehlten. Also sprach von Hagen bei der Polizei in Perleberg vor. "Die erklärten mich erst mal für verrückt", erinnert sich von Hagen. Aber schon wenige Tage nach dem Termin meldete sich der Leiter der Polizei und schickte ihn nach Potsdam. Dort fand er einen fahruntüchtigen Lada Niva als Polizeistreifenwagen vor, der verschrottet werden sollte. Nach hartnäckigem Nachfragen und zäher Verhandlung konnte er das Objekt schließlich erwerben. Eines hatten alle seine Fundstücke bis dahin gemeinsam: Das Blaulicht. Und damit hatte die Sammlung auch ihren Namen gefunden: Das Blaulichtmuseum.

Mit jedem neuen Fundstück wuchs die Platznot. Erst verlagerte Ralf von Hagen die Fahrzeuge in die Scheune eines Nachbarn, dann wurde aus der Sammlung ein Museum. Und dieses Museum fand im rund 30 Kilometer entfernten Beuster in Sachsen-Anhalt seinen Platz. Dort konnte der umtriebige Technik-Fan das Gelände eines ehemaligen Reparaturstützpunktes einer LPG erwerben. Ein idealer Ort als Werkstatt und Ausstellungsgelände.
Motorräder, Streifenwagen, Trabis
Auch der Landkreis Stendal unterstützte Ralf von Hagen mittlerweile. Möglich wurde das durch die Gründung eines gemeinnützigen Vereins namens "Blaulichtmuseum Beuster e.V." Zwar kann die klamme Region bis heute nur wenig an Geldmitteln beisteuern, aber die Arbeitsagentur Stendal unterstützte den Enthusiasten mit drei ABM-Kräften. Zusammen mit Familie und Freunden wird seitdem das Museum ständig ausgebaut.

Was einst auf dem Hinterhof und in einer Scheune begann ist heute eine bemerkenswerte Sammlung an Fahrzeugen aus der ehemaligen DDR. Eine große Scheune auf dem Gelände ist bis auf den letzten Platz gefüllt mit ganzen Löschzügen, zahlreichen Barkas-Krankenwagen, Motorrädern und Streifenwagen der Volkspolizei und natürlich einigen Trabis. Ganze zehn nennt der Verein sein Eigen, mindestens drei davon sind immer fahrbereit.
Ostalgie in jeder Ecke
Aber es finden sich mittlerweile noch viel mehr Kleinode im Blaulichtmuseum. Ralf von Hagen konnte einige IFA-LKW der NVA aus den Beständen der Bundeswehr erwerben. Der jüngste Zugang ist ein Raketenwerfer der sowjetischen Streitkräfte. Es blieb aber nicht bei Fahrzeugen. "Die Männer hatten ihre Spielzeuge. Also suchten wir auch für die Frauen eine Beschäftigung", erklärt von Hagen. Die ergab sich, als der mittlerweile landläufig bekannte Sammler in den Besitz einer sogenannten "Raumerweiterungshalle" kam. Das waren transportable Container, die, einmal aufgestellt, zur Seite in vier Stufen erweitert werden konnten.

Darin wurde nun, entsprechend dem einstigen Einsatzzweck, ein Konsum aufgebaut. Durch zahlreiche Spenden von Dachböden ist dort ein umfangreiches Arsenal an DDR-Devotionalien eingezogen. So gut wie alles Originale. "Die Einrichtung des Konsums war ein Selbstläufer", sagt von Hagen. "Mittlerweile ist der Konsum fast überfüllt." Daneben hat die Truppe aus dem Museum eine originalgetreue Minol-Tankstelle aufgebaut. Ostalgie findet sich im Blaulichtmuseum in jeder Ecke.
8000 Besucher im Jahr
So viele Artikel aus dem täglichen Leben in der DDR hat wahrscheinlich keine andere Sammlung der Welt vorzuweisen. Bis zu 8000 Besucher treten jährlich die Reise in eine vergangene Zeit an. "Meine Aktivitäten haben aber keine politischen Hintergründe", betont von Hagen.
Auch wenn das Leben in der strukturschwachen Gegend links und rechts der Elbe kein einfaches ist, die DDR wünschen sich die Mitglieder des Vereins hier nicht zurück. Aber ein bisschen DDR spielen von Zeit zu Zeit ist schon erlaubt. Zumindest einmal im Jahr, wenn beim neuntägigen Sommerfest alle Fahrzeuge aus den Garagen gefahren werden und die alten Haudegen auf vier Rädern noch mal zeigen können, was in Ihnen steckt.
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