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Gemacht, um Kurven zu räubern: Der Jaguar F-Type liegt tief und breit auf der Straße. Das macht sich bei der Fahrstabilität positiv bemerkbar.

© Hersteller

Jaguar F-Type: Sonnige Zeiten

Es gibt Autos, von denen man erst weiß, wie sehr man sie vermisst hat, wenn es sie gibt. Mit dem schönen F-Type hat Jaguar endlich wieder einen richtigen Roadster im Programm.

Nicht weniger als 39 Jahre hat es gedauert, bis Jaguar sich zu einem Nachfolger des legendären E-Type durchgerungen hat. Auch der F-Type ist eine rassige Schönheit geworden und kommt mit Idealmaßen: zwei Zentimeter kürzer als ein Porsche 911, aber 11,5 Zentimeter breiter als der Deutsche. Schon im Stand beeindruckt der flache und ungemein breite Roadster.

Für den Neuanfang als echter Sportwagenhersteller hat Jaguar beim F-Type großen Aufwand getrieben: 1,6 Millionen Testkilometer, davon 30 000 auf der Nürburgring-Nordschleife; das entspricht 1500 Runden. 100 Motoren wurden "verbraucht". Der Roadster ist, wie sein Vorfahre, der Jaguar E-Type, ein reiner Zweisitzer. Knapp geschnitten und mit Mini-Kofferraum. Um eine optimale Gewichtsbalance von 50 zu 50 zu erreichen, mussten Batterie und sogar Waschwasserbehälter ins Gepäckabteil wandern. Mickrige 196 Liter blieben übrig. Doch dank einer Aussparung im Ladeboden passt ein deutscher Wasserkasten in den britischen Roadster. Oder eine größere Tasche für den Wochenendtrip zu zweit.

Der Kompressor-V6 ist ideal

Der Klick auf die Fernbedienung sorgt für die erste Überraschung: Elektrisch klappen versenkte Türgriffe aus, beim Starten schwenken sie wieder zurück, um dem Wind keine Angriffsfläche zu bieten. Die mit weichem Leder bezogenen Schalensitze passen wie eine zweite Haut. Man sitzt fast schon auf der Straße. Dennoch hat man gute Sicht. Das Cockpit gibt sich vornehm englisch. Die Lüftungsdüsen auf der Mittelkonsole klappen erst dann majestätisch hoch, wenn sie von der Klimaautomatik Arbeit zugewiesen bekommen.

Endlich hat Jaguar mit dem F-Type wieder einen mutigen Roadster im Programm.
Endlich hat Jaguar mit dem F-Type wieder einen mutigen Roadster im Programm.

© Hersteller

Wir sind alle drei Motorisierungen gefahren. Das mittlere Triebwerk mit 380 PS im F-Type S (ab 84 900 Euro) ist das ideale. Ein Druck auf den orangefarbenen Startknopf und mit kehligem Sound – das soll ein Sechszylinder sein?! – erwacht der neue Kompressor-V6, der mit 127 PS pro Liter die höchste Literleistung aller Jaguar-Triebwerke aufweist. Zwischen 3500 und 5000 Touren liegen stämmige 460 Newtonmeter Drehmoment an. Komm Katze, fauch mit mir! Fauchen? Wenn per Taste die Klappen des aktiven Auspuffsystems geöffnet sind, faucht der Jag nicht mehr, sondern röhrt wie ein brunftiger Hirsch. Ein Kulturschock – von einer Mozart-Oper zum Metallica-Konzert. Dieser böse Klang sollte in Ortschaften oder frühmorgens besser nicht aktiviert werden – und auch nicht, wenn man open air unterwegs ist.

Das elektronische Fahrwerk beeindruckt

Und wenn man es mal richtig fliegen lassen will? Dann kann der 1,6-Tonner so herrlich durch Kurven tanzen wie ein viel leichteres Go Kart. Bei Bedarf frisst sie der Brite regelrecht auf. Dabei hilft ihm eine mechanische Quersperre an der angetriebenen Hinterachse. Sie verhindert das Durchdrehen des kurveninneren Rades, so dass man früher Vollgas geben kann. Ihren Anteil am spielerischen Handling hat auch die elektrohydraulische Lenkung. Sie agiert wunderbar präzise. Eine rein elektrische Lenkung wurde in der Entwicklungsphase aussortiert: nicht gut genug. Ein Sportwagen mit Automatik? Ja und nochmals ja, wenn sie so blitzschnell agiert wie die von ZF. Im Sportmodus knallt der Automat so schnell die Gänge rein, dass man mit dem Zählen kaum nachkommt. Wer will, kann dies mit den Schaltpaddeln auch selbst tun.

Das elektronisch geregelte Fahrwerk kontrolliert in jeder Sekunde 100 Mal die Vertikal-, Wank- und Kippbewegungen der Aluminiumkarosserie. Gar 500 Mal pro Sekunde werden die Lenkimpulse gecheckt. Damit passt die Elektronik Dämpferraten und Radfederwege der jeweiligen Fahrsituation optimal an. Das Ergebnis ist eine beeindruckende Fahrstabilität.

Sie erleben wir auf dem Bilster Berg Driving Resort, einer brandneuen Teststrecke im Teutoburger Wald, die bei jeder Runde den Mut herausfordert und zugleich den Magen malträtiert: Erst 26 Prozent Gefälle, dann wieder 21 Grad Steigung mit reichlich Geschlängel.

Danke, Jaguar!

Das alles schafft der 495-PS-Kompressor-V8 (ab 99 900 Euro) mit klassischem Heckantrieb. Nahezu ansatzlos gibt er seine Energie frei und beschleunigt den F-Type in unfassbaren 2,5 Sekunden von Tempo 80 auf 120 und bei Bedarf bis zu 300 km/h. Aber bitte nur auf abgesperrter Rennstrecke! Allerdings will dieses Kraftpaket gut gefüttert werden. Nach 200 Kilometern ist der 72-Liter-Tank mehr als halb leer.

Im Alltag klappt man lieber das dicke elektrische Stoffverdeck binnen 12 Sekunden und bis Tempo 50 zurück, um Sonne und Wind und gute Laune zu genießen. Der Horizont ist das Ziel.

Danke für den Mut, Jaguar. Ein Auto zu bauen, das man eigentlich nicht braucht. Ein Auto, das wenig Platz, aber viel Herz hat. Ein Auto, das etwas Besonderes bleiben wird. Denn es gibt zwar 75 Millionen Autos auf der Welt, doch nur ein Prozent davon sind Sportwagen und von diesen wiederum lediglich 15 Prozent solche Kracher vom Schlage eines Jaguar F-Type. Irgendwie schön, dass es solche verrückten Typen noch gibt.

Das bietet der Jaguar F-Type:

DIE TAKTIK: Mit seinem Einstiegspreis von 73 400 Euro zielt der britische Roadster genau zwischen die beiden offenen Schwaben, dem 60 191 Euro teuren Porsche Boxster S mit 315 PS und dem 103 150 Euro teuren Porsche 911 Cabriolet mit 350 PS. Drei Motoren bieten die Briten seit der Markteinführung am vergangenen Wochenende an; allesamt mit Achtgangautomatik vom deutschen Spezialisten ZF, alle inklusive Start-Stopp.

DREILITER-V6-BENZINER mit Kompressoraufladung in zwei Leistungsstufen: eine mit 340 PS (450 Nm Drehmoment bei 3555 bis 5000 Touren, von Null auf 100 km/h in 5,3 Sekunden, Spitze 260 km/h, Verbrauch 9,0 Liter, ab 73 400 Euro) und mit 380 PS (460 Nm bei 3500 bis 5000 Touren, von Null auf 100 km/h in 4,9 Sekunden, Spitze 275 km/h, Verbrauch 9,1 Liter, ab 84 900 Euro).

FÜNFLITER-V8-BENZINER mit Kompressoraufladung mit 495 PS (625 Nm bei 2500 bis 5500 Touren, von Null auf 100 km/h in 4,3 Sekunden, Spitze 300 km/h, Verbrauch 11,1 Liter, ab 99 900 Euro).

DIE VORSCHAU: Während es unter der Knute des früheren Eigentümers Ford bergab ging, scheinen die Briten seit dem Verkauf an den indischen Unternehmer und Milliardär Tata zu neuer Höchstform aufzulaufen. Und so wird die Geschichte mit dem F-Type fortgesetzt werden: Ende 2014 folgt das Coupé mit einem der rassigsten Sportwagen-Hinterteile. Und um dem 911 noch mehr auf die Hinterräder zu rücken, startet ebenfalls im nächsten Jahr eine RS-Version mit 550 PS starkem Fünfliter-Kompressor-V8. Die Fans dürfen gespannt sein.

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