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Mit dem Opel Cascada bringen die Rüsselsheimer nach eigenen Angaben ein "vollwertiges Ganzjahresauto" auf den Markt. Und das trotz Stoffverdeck.

© Hersteller

Opel Cascada: Blitz und Sommer

Lange gab es kein offenes Modell aus Rüsselsheim mehr. Seit 2010 der offene Astra auslief zeigte die Produktpalette hier eine offene Flanke. Opel hat jetzt genug von den dunklen Wolken: Eine erste Ausfahrt im Stoffdach-Cabrio Cascada.

Wenn das keine Herausforderung für die Händler wird: Opel bringt ein Cabrio mit Stoffdach auf den Markt, erklärt es zum „vollwertigen Ganzjahresauto“ – und nennt es ausgerechnet „Cascada“, was irgendwie nach durchtropfendem Regenwasser klingt und damit eine Urangst jener Menschen weckt, die Autos vor allem wegen deren Resistenz gegen Wind und Wetter schätzen.

Doch sonst herrscht Sonnenschein, wie eine ausgiebige Probetour zeigt. Zum Test bereit steht die „Innovation“ genannte Variante, die nach Opels Prognose auch von der Mehrheit der Kunden gekauft wird. Die „Edition“ genannte Alternative beginnt zwar schon bei knapp 26 000 Euro, hat aber nur eine manuelle Klimaanlage und weder Regen- und Lichtsensor noch das mit Xenon-Lampen bestückte adaptive Fahrlicht, und auch die Parkbremse mit Assistent fürs Anfahren am Berg fehlt ihr. Und, was – siehe oben – wohl noch wichtiger ist: Mit der besseren Ausstattung gibt’s ein Verdeck aus robusterem Gewebe samt zusätzlicher Dämmschicht. Wer all das wünscht, ist mit knapp 30 000 Euro für den 1,4-Liter-Basis-Benziner dabei. Oder mit gut 33 000 für den getesteten 1,6-Liter, den Opel als erstes Mitglied einer komplett neuen Motorenfamilie präsentiert.

Eher Cruiser als Sportler

Schon beim Einsteigen wird klar, dass der Cascada eher Reiselimousine als Sportler ist. Der Einstieg auch in die hintere Reihe ist komfortabel, die Platzverhältnisse sind luftig, und die üppig dimensionierten Sitze bieten alles außer besonderem Seitenhalt. Aber der 1,7-Tonner lädt ohnehin eher zum Cruisen als zum Rasen ein, zumal der Wendekreis so groß ist, dass man in engen Serpentinen die ganze Straßenbreite ausnutzen muss. Opel-Neulinge sind am Anfang ohnehin maßgeblich mit dem Heer der Tasten auf der Mittelkonsole beschäftigt.

Mit seiner stattlichen Länge befindet sich der Opel Cascada auf Augenhöhe mit einem Audi A5 oder einem BMW 3er.
Mit seiner stattlichen Länge befindet sich der Opel Cascada auf Augenhöhe mit einem Audi A5 oder einem BMW 3er.

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Außerdem wundern sie sich, warum sie beim Einlegen des zweiten Ganges jedesmal mit dem Ellenbogen an die Sitzlehne stoßen und ob man Schaltknäufe nicht ohnehin viel handfreundlicher hinbekommt. Dieselbe Frage stellt sich bei der unteren, sehr dicken Lenkradspeiche, die sich schlecht greifen lässt. Und wenn wir gerade am Mäkeln sind: Die A-Säule kann zwar vor allem bei einem Cabrio gar nicht stabil genug sein. Aber wenn sie derart massiv ist, dass hinter ihr in lang gezogenen Kurven die gesamte Straße oder im Stadtverkehr ganze Fußgängergruppen verschwinden, droht der eigene Sicherheitsgewinn zum Risiko der anderen zu werden.

Kräftig aus dem Drehzahlkeller

Damit hat sich’s ausgenörgelt, denn der Rest dieses Autos ist mindestens guter Durchschnitt. Das gilt für den cabriogemäß zwar beengten, aber durch eine umlegbare Rückbank relativ gut erweiterbaren Kofferraum ebenso wie für die Qualität des elektrischen Verdecks, das sich bis Tempo 50 öffnen und schließen lässt. Leider ist die sorgsam eingepasste Heckscheibe recht klein geraten, aber das lässt sich durch den Einparkassistenten samt Rückfahrkamera und optischem Toter-Winkel-Warner in beiden Außenspiegeln für 1200 Euro extra entschärfen (Piepser hinten sind serienmäßig). Und wer häufig offen unterwegs ist, kann den erwähnten Motorenneuling lieben lernen. Nicht, dass die 170 PS sich übermäßig stark anfühlen würden. Aber charakterlich vereint die Maschine die Vorzüge zweier Systeme: Beim Bummeln so leise und beim Beschleunigen so dezent wie ein guter Benziner, aber beim Beschleunigen schon aus geringer Drehzahl erstaunlich kräftig. Wer mit Tempo 20 im dritten Gang trödelt und dann Gas gibt, erlebt statt der sonst oft üblichen Gedenkminute einen sehr passablen Antritt ohne Geruckel. Das lässt einiges erhoffen für die Motoren, die auf dieser Basis in anderen Opel-Modellen folgen sollen. Ärgerlich nur, dass dieser Neue die Verbrauchsmärchen der Hersteller fortsetzt: Statt der angegebenen 6,3 Liter im Mix dürften eher acht realistisch sein.

Das Angebot an viersitzigen Cabrios auf dem deutschen Markt ist überschaubar. Schnell landen Kunden bei sehr teuren Premiumprodukten.
Das Angebot an viersitzigen Cabrios auf dem deutschen Markt ist überschaubar. Schnell landen Kunden bei sehr teuren Premiumprodukten.

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Mit stolzen 4,70 Meter Außenlänge liegt der Cascada schon näher am Insignia als am Astra – und aus Sicht der Opel-Strategen in einer Marktlücke. Denn mit seinen Dimensionen befindet er sich im Revier der offenen Audi A5 und 3er-BMW, während man für seinen Preis kaum einen A3 oder 1er bekommt, sondern allenfalls einen offenen Kompakten wie Renault Mégane oder Peugeot 308 CC. Dass viele Leute trotzdem für mindestens 10 000 Euro mehr den großen Audi oder BMW kaufen werden, ist eine andere Geschichte, die zu vertiefen hier nicht lohnt. Aber die Diagnose der Opel-Strategen stimmt, zumal sie auch in der Aufpreisliste keine Unverschämtheiten versteckt haben: Selbst mit allem Schnickschnack und Sicherheitssystemen wie Verkehrsschildererkennung und Kollisionswarner (der auf der Testfahrt allerdings manchmal „Ich sehe was, was du nicht siehst!“ spielte) lässt sich nur knapp die Grenze von 40 000 Euro knacken. Das 980 Euro teure „Premiumfahrwerk“ mit seinen kaum wahrnehmbaren Unterschieden zwischen den drei Modi kann man sich getrost sparen, und die riesigen 20-Zoll-Leichtmetallfelgen als mit 2100 Euro teuerstes Extra sollten für Erwachsene ebenfalls verzichtbar sein.

Der Opel Cascada könnte ein Erfolg werden. Stimmig ist das Konzept sicherlich.
Der Opel Cascada könnte ein Erfolg werden. Stimmig ist das Konzept sicherlich.

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Gebaut wird der Cascada im polnischen Gleiwitz. Er wirkt solide, und dass auf der Armaturentafel farbig vernähtes Leder auf harten Kunststoff trifft, ist angesichts des Preises zu verschmerzen. Die Optik ist ohnehin Geschmacksache. Nur so viel: Die Zeit der ganz fetten silbrigen Strass-Klunker am Heck scheint Opel hinter sich gelassen zu haben, und das Stoffdach ermöglicht eine elegant gestreckte Linie bei nur mäßig aufgepumptem Hinterteil. Angenommen, Cabrios würden mit nüchternem Verstand gekauft, könnte der Cascada ein Erfolg werden.

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