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Kompakter mit Dreier unter der Haube: Der Ford Focus 1.0 EcoBoost ist ein Beweis, dass ein Auto dieser Klasse gut mit einem Dreizylinder auskommen kann.

© Rainer Ruthe

Praxistest Ford Focus Titanium Turnier 1.0 EcoBoost: Grand mit Dreien

Kompakter mit Dreien? Der Ford Focus 1.0 EcoBoost will zeigen, dass drei Zylinder für ein Kompaktmodell ausreichen. Ob er das schafft zeigt unser Praxistest mit Kölner Kombi.

Ein Dreizylindermotor? Den kannte man bislang nur als Antriebsquelle eines Kleinwagens. Günstig, aber rappelig. Und nun hat Ford ein solches Aggregat in ein Kompaktauto gepflanzt. Selbst ein Liter Hubraum reiche aus, um ein stattliches Auto wie den Focus adäquat zu bewegen, behaupten die Kölner. Stimmt das? Wir prüfen das in unserem Praxistest mit dem 100 PS starken Dreizylinder-Turbo im Focus Turnier. Vielleicht ist das sogar die clevere Variante?  Kleiner Motor und dafür große Ausstattung? Wir haben für unseren Praxistest den Ford Focus Titanium Turnier 1.0 EcoBoost untersucht – und wurden angenehm überrascht.

Außen und Innen

Der stark überarbeitete Focus tritt sehr selbstbewusst auf. Vorn mit geänderten Lampen und neuem Grill im Aston-Martin-Stil, der jedoch beim Ford Focus Turnier viel stimmiger in die Front integriert ist als beim Fiesta. Hinten erfreut er mit einem aufgeräumten Heck samt kleineren und eleganteren Leuchten in LED-Technik. Die erste wirkliche Überraschung folgt nach dem Einsteigen. Die Kölner haben das Cockpit konsequent entrümpelt. Statt des winzigen Monitors und der vielen verstreuten Knöpfe gibt es nun einen optimal platzierten hochauflösenden Acht-Zoll-Touchscreen, mit dem Audio-, Klima-, Mobiltelefon- und Navigationsfunktionen bequem gesteuert werden können. Halt! Jetzt geht es sogar noch einfacher. Endlich versteht einen der Focus richtig, spricht mit einem und reagiert prompt auf Wünsche. So ähnlich wie das Spracherkennungsystem Siri beim iPhone.

SYNC 2 Bediensystem lautet das Zauberwort, das hier im Titanium serienmäßig an Bord ist. Einfach die Spracherkennung aktivieren, den Wunsch ansagen: "Ich habe Hunger" und schon zeigt das Navigationssystem Restaurants im Umkreis an. Gourmets können den integrierten Michelin-Reiseführer nutzen und sogar kulinarische Richtungen vorgeben. Anrufen? "Mit Bernd verbinden" und schon wird die entsprechende Nummer gewählt. Selbst die Klimatisierung lässt sich auf diese bequeme Weise regeln. Sogar Emails kann das neue Bediensystem SYNC 2 verständlich vorlesen. Und wer sich einmal vom Ein- und Ausparkassistenten (670 Euro bei Titanium-Ausstattung) nervenschonend in eine Parklücke, die von den Sensoren zuverlässig erkannt wird, rein- und wieder rausfahren lassen hat, der will nichts anderes mehr.

Sitzen und Laden

Der 4,56 Meter lange Ford Focus Turnier liegt mit seiner Ladekapazität von 490 bis 1516 Litern Volumen im besseren Mittelfeld der Kompakt-Kombis. Ein Peugeot 308 SW oder ein Skoda Octavia Combi bieten jedoch deutlich mehr Laderaum. Dennoch herrscht kein Platzmangel im Ford. Die Ladekante ist rückenfreundliche 62 Zentimeter hoch. Die Ladebreite beträgt 1,14 Meter. Klappt man erst die Sitzfläche und dann die Lehne der geteilten Rücksitzbank um, entsteht eine ebene Ladefläche mit einer Ladelänge von 1,62 Metern statt der sonstigen 95 Zentimeter bei aufgestellter Rücksitzbank. Da gibt es keinen Grund zur Klage,   zumal die mögliche Zuladung von 535 Kilogramm im oberen Drittel des Segments liegt. Wer allerdings einen Hänger ziehen will, ist mit dem kleinsten Benziner schlecht beraten: nur 1000 Kilogramm darf diese Motorisierung an den Haken nehmen.

Der Verbrauch des Dreizylinders im Ford Focus 1.0 EcoBoost hängt stark von der Fahrweise ab, wie bei Turbomotoren üblich.
Der Verbrauch des Dreizylinders im Ford Focus 1.0 EcoBoost hängt stark von der Fahrweise ab, wie bei Turbomotoren üblich.

© Rainer Ruthe

Die im Topmodell Titanium montierten serienmäßigen Sportsitze sind ein Klasse-Gestühl,   welches den Körper gleichermaßen stützt und wohlig umsorgt. Für Vielfahrer einfach ein Muss. Auch in der zweiten Reihe sitzt man gemütlich – ein Top-Reisewagen.

Fahren und Tanken

Klein, aber oho! In dem Dreizylinder, der am deutschen Ford-Stammsitz in Köln in einer für 134 Millionen Euro modernisierten Anlage mit einer Jahreskapazität von 350.000 Aggregaten produziert wird,   steckt jede Menge Ingenieurskunst. Die Grundfläche des Motors ist nicht größer als die eines DIN-A4-Blattes. Das extrem kompakte Triebwerk wurde bis ins Detail optimiert. So besitzen Motorblock und Zylinderkopf für eine kurze Warmlaufphase einen getrennten Kühlkreislauf. Der gemeinsam mit dem Kopf gegossene Abgaskrümmer ist ebenfalls wassergekühlt – die zum Schutz der Turboladerbauteile häufig eingesetzte verbrauchssteigernde Volllastanreicherung entfällt damit. Im Leerlauf ist der etwas rau klingende Mini kaum zu hören,   und so lange er im Teillastbereich arbeitet, bekommen die Passagiere vom typischen Dreizylinder-Knurren fast nichts mit. Gezielt platzierte Unwuchten an Schwungscheibe und Kurbelwellendämpfer nehmen dem Dreizylinder dessen prinzipbedingte Schüttelneigung. Die übliche Ausgleichswelle war den Entwicklern zu schwer und zu reibungsintensiv. Bedarfsgerecht fördernde Nebenaggregate helfen ebenso beim Sparen wie Rekuperation und Start-Stopp-Technik.

Mit einem Ladevolumen von 1516 Litern maximal bewegt sich der Ford Focus Turnier im oberen Mittelfeld seiner Klasse.
Mit einem Ladevolumen von 1516 Litern maximal bewegt sich der Ford Focus Turnier im oberen Mittelfeld seiner Klasse.

© Rainer Ruthe

Dank variabler Nockenwellenverstellung und schnell ansprechender Turbine liefert er schon bei niedrigen Drehzahlen genügend Drehmoment für schaltfaules Beschleunigen in den oberen Stufen des leicht und exakt schaltbaren Fünfganggetriebes. Es ist erstaunlich, wie schnell man sich in der Stadt bis zum fünften Gang durchgeschaltet hat.

Auch jenseits des Ortsschilds macht der Dreizylinder seine Arbeit ordentlich. Selbst auf langen Autobahntouren fühlt  sich der Drilling wohl. Der fünfte Gang des gut schaltbaren Getriebes ist allerdings aus Verbrauchsgründen sehr lang übersetzt. Bei 180 km/h dreht sich die Kurbelwelle im höchsten Gang ganze 4500 Mal pro Minute. Bei 160 km/h sind es 4000 Touren, und bei 120 km/h nur 2500 Umdrehungen pro Minute. Der kleine Benziner arbeitet recht sparsam – wenn man ihn nicht tritt, denn der wirkliche Praxisverbrauch hängt bei diesem Turbo sehr von der Fahrweise ab.

Bei verhaltenem Landstraßentempo zeigt der Bordcomputer 5,4 Liter an, bei Tempo 130 bis 170 auf der Autobahn waren es 6,8 Liter. Und im Schnitt der gut 2000 Kilometer langen Testfahrt hat sich der Verbrauch auf glatt sechs Liter eingepegelt. Das sind 1,2 Liter mehr als vom Werk angegeben. Ein ordentlicher Wert, mit dem dieser agile Kompakt-Kombi beim realen Verbrauch auf Kleinwagen-Niveau liegt.

Angenehm aufgeräumt: Die Mittelkonsole des Ford Focus wurde mit der Überarbeitung von der Knöpfchenflut befreit. Das zentrale Displa1y oben übernimmt das Gros der Aufgaben.
Angenehm aufgeräumt: Die Mittelkonsole des Ford Focus wurde mit der Überarbeitung von der Knöpfchenflut befreit. Das zentrale Displa1y oben übernimmt das Gros der Aufgaben.

© promo

Passend zum tollen Dreizylinder haben die Ford-Techniker ein glückliches Händchen bei der Überarbeitung von Fahrwerk und Lenkung bewiesen. Eigentlich wäre das gar nicht nötig gewesen, denn bereits die aktuelle Generation gehört ja zu den Kompakten mit den anerkannt besten Fahreigenschaften. Die weitreichenden Änderungen – steiferer Vorderwagen und modifizierte Fahrwerksgeometrie – machen aus dem Ford Focus den Kurvenkünstler Nummer Eins in der Kompaktklasse. Als weltweit erstes Serienauto kommt im Focus die erweitere Fahrdynamik-Regelung ETS zum Einsatz, welche  anbahnende instabile Fahrzustände schon im Ansatz erkennt und früher als das normale ESP reagiert.

Hinzu kommt die verbesserte Lenkung, die trotz weicherem Ansprechen noch feinfühliger geworden ist.

Hören und Sehen

Das neue Cockpit ist noch immer ausladend und schränkt das subjektive Raumgefühl ein. Andererseits schafft es jedoch zugleich ein Gefühl der Sicherheit; der Fahrer wähnt sich mit dem Auto eins. Geschickt gemacht. Ebenso wie die im Titanium serienmäßige Ambientebeleuchtung in sieben wählbaren Farben. Uns hat besonders türkis gefallen, es bringt nachts eine beruhigende Stimmung ins Auto. Im Ford Focus Turnier wähnt man sich wie in einem Premium-Mittelklassewagen. Dickere Seitenscheiben, mehr Dämmstoffe und neu abgestimmte Stoßdämpfer bringen einen spürbaren Komfortgewinn, welcher den Ford Focus zu einem der leisesten Kompaktautos macht. Außerdem sind die Windgeräusche gering – und,  ja wirklich,  der Dreizylinder arbeitet überraschend kultiviert. Nahezu perfekt für einen Kompakten – und derzeit fraglos der neue Maßstab in der Golf-Klasse.

Der Ford Focus hat mit seinen 100 PS aus drei Zylindern genug Wumms, um flott voran zu kommen. Selbst der Kombi dürfte damit ausreichend motorisiert sein.
Der Ford Focus hat mit seinen 100 PS aus drei Zylindern genug Wumms, um flott voran zu kommen. Selbst der Kombi dürfte damit ausreichend motorisiert sein.

© Rainer Ruthe

Wählen und Zahlen

Als Einstiegsversion Ambiente steht der Turnier mit dem 100-PS-Dreizylinder schon mit 18460 Euro in der Preisliste. Doch es müssen noch mindestens 1100 Euro zusätzlich eingeplant werden für eine manuelle Klimaanlage und ein Audiosystem mit CD-Spieler und Lenkradferndienung. Dann hat man aber für weniger als 20 000 Euro einen flotten Kombi, mit dem man leben kann. Besser leben kann man natürlich mit der Titanium-Ausstattung, welche eine gehörige Portion Luxus in den Ford bringt. Dann geht es allerdings erst ab 22 860 Euro los. Doch das ist noch längst nicht das Ende der Fahnenstange: Der sehr gut ausgestattete Testwagen,  unter anderem mit adaptiven Bi-Xenonscheinwerfern, Navigationssystem, Einparkassistent, radargestütztem Tempomaten, Fahrspur-Assistent inklusive Müdigkeitswarner und Fernlicht-Assistent sowie Verkehrsschild-Erkennungssystem, kommt auf 29 245 Euro.

Gutes und Schlechtes

Der Ford Focus ist weltweit das meistverkaufte Auto. Es wird in 140 Ländern angeboten. Seit 1998 sind über zwölf Millionen verkauft worden. Alle 90 Sekunden läuft ein Focus vom Band. Und nach der 2000-Kilometer-Testfahrt steht fest: Es ist eine durchaus clevere Wahl, den kleinen Motor, der sich im Alltag jedoch ganz groß gibt, mit der Top-Ausstattung zu kombinieren. Allerdings kommt man dann schon in Preisbereiche jenseits der 25 000 Euro. Zu viel Geld? Auto-Experten des CAR-Center der Universität Duisburg-Essen haben errechnet, dass der Durchschnittspreis der verkauften neuen Pkw im vergangenen Jahr auf  27 189 Euro gestiegen ist. 1980 hatten die Deutschen im Schnitt umgerechnet nur 8420 Euro für ein neues Auto ausgegeben. So ändern sich die Zeiten und die Preise.

Doch manche Ärgernisse bleiben. So bietet Ford  für den Focus zwar eine Armada moderner (und teurer) Fahrerassistenzsysteme an, doch keinen sechsten Gang für den 100 PS starken Dreizylinder. Gut, das lang übersetzte Fünfgang-Getriebe reicht in 80 Prozent der Fälle aus. Wer allerdings öfter lange Autobahnetappen mit großer Zuladung fährt, der sollte 1000 Euro extra berappen für den 125 PS starken Dreizylinder mit Sechsganggetriebe. Und für keinen der beiden sparsamen Drillinge (100 und 125 PS) wird ein Automatikgetriebe angeboten. Ein schnell schaltender Doppelkupplungsautomat wird nur für die 1,5-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner mit 150 und 182 PS angeboten. Diese sind dann gegenüber dem 100-PS-Dreizylinder jedoch gleich um 7200 oder gar um 9300 Euro teurer, weil diese nur in der Business oder Titanium-Topausstattung angeboten werden. Das ist bei anderen Herstellern besser geregelt.

Stärken

Sehr gute Sprachsteuerung, Sehr agiles Fahrwerk, Überzeugender Dreizylinder-Turbo

Schwächen

Spärlich ausgestattetes Basismodell, Keine Automatik für 1.0er, Kurzes Werkstattintervall

Konkurrenz

VW Golf Variant, Skoda Octavia Combi, Opel Astra Sports Tourer

Technische Daten Ford Focus Titanium Turnier 1.0 EcoBoost
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,56/1,86/1,49 Meter
Leergewicht 1313 Kilogramm
Kofferraumvolumen / umgelegte Rückbank 490 / 1516 Liter
Maximale Zuladung 587 Kilogramm
Sitzplätze 5
Tankvolumen 55 Liter
Motor Reihen-Dreizylinder-Otto-Motor mit Direkteinspritzung und Abgasturbolader, Start-Stop-Automatik serienmäß 
Hubraum 998 Kubikzentimeter
Getriebe 5-Gang-Handschaltgetriebe
Leistung (kW/PS) 74/100
Drehmoment 170 Newtonmeter bei 1400 Umdrehungen/Min
Beschleunigung 0 - 100 km/h 12,7 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 185 km/h
Verbrauch laut Hersteller (innerorts / außerorts / kombiniert) 5,9/4,2/4,8 Liter
Verbrauch im Test 6,0 Liter
CO2-Emissionen / Effizienzklasse 109 g/km / A
Typklassen (KH/VK/TK) 15/17/19
Preis als Basisfahrzeug 22 860  Euro
Preis des Testwagens 29 243 Euro

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