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Straßendampfer: Die Victory Cross Roads Classic ist alles andere als ein leichtes Motorrad. Aber die 340 Kilogramm machen sich beim Handling kaum bemerkbar.

© Hersteller

Fahrbericht Victory Cross Roads Classic und Victory Judge: Baggern und Cruisen

Die Stadt Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota ist bekannt für ihre Skyways, den Mississippi River, die Mall of America und eine Motorradmarke, die hier ihren Firmensitz hat: Victory Motorcycles.

Mit Hochspannung fieberte ich dem ersten Test mit einer Victory entgegen. Harald vom Motorrad Center Friedrichshain hatte mich zu einer Testfahrt, die gleichzeitig eine kleine Ausfahrt war, eingeladen. Er hatte für mich eine Victory Cross Roads Classic (Zur Vorstellung der Victory Cross Roads) vorgesehen, ein in Schwarz/Beige gehaltenes amerikanisches Gerät. Mein erster Eindruck: Riesig, ob man damit um die Ecke kommt? Skepsis machte sich breit bei mir. Ich dachte, ich bekomme eine Hammer oder Judge? Später, so die Antwort, später.
Die erste Sitzprobe: Hoppla, wo ist die Größe hin? Das Teil soll über 340 kg wiegen? Na das ging ja leicht aufzurichten... Kurze Einweisung, ah, Zündschloss links am Motor, ein Druck auf den Anlasser – Enttäuschung. Nichts zu hören. Auf meine Frage, ob der Motor seine Tätigkeit schon aufgenommen hat, die lakonische Antwort: Yepp, EU-Vorschrift, Stichwort Leerlaufpegel, Sound geht besser, kommt später.

Ich wollte, um mich vor der Ausfahrt an das Fahrzeug zu gewöhnen, schnell zur Tanke meines Vertrauens fahren, um aufzurüsten. Klack, so muss sich das anhören, wenn bei einem T 34 die Turmluke zuschlägt, der erste Gang ist drin. Kupplung gaaanz vorsichtig kommen lassen, Überraschung, das ist ja einfach, ganz locker und easy fahre ich zur Tankstelle. Das Teil ist kurvenwilliger, als ich jemals gedacht hatte. Auf der Tankstelle die nächste Überraschung: Der Tankdeckel ist auf dem Tank rechts versetzt, stört meinen Schönheitssinn massiv, macht sich beim Tanken, da der Einfüllmann jetzt gerade ist, aber super.

Langsam kommen die anderen Mitstreiter – und höre da, mit einem Zubehörauspuff geht da was, jetzt hört sich das so an, wie die Motorräder aussehen und von Rechts wegen auch anhören sollten.

Völlig relaxt folgt die Victory Cross Roads kleinsten Lenkimpulsen

Mit insgesamt 11 Fahrzeugen starten wir Richtung Angermünde, wir wollen ins Wallenstein essen gehen. Das Wallenstein hat zwar von 14:30 bis 17:30 Uhr geschlossen, aber Harald sagt: dös pascht scho (wird später bei einem Almdudler noch mal kommen).

Erst seit 1997 ist die Marke Victory am Start. Klassisch sind die Motorräder trotzdem.
Erst seit 1997 ist die Marke Victory am Start. Klassisch sind die Motorräder trotzdem.

© Achim Schmidt

Nach einer quälenden Tour durch die Hauptstadt erreichen wir endlich die 158. Der dicke Zweizylinder brummt entschleunigend unter mir. Im sechsten Gang, der als Overdrive, das heißt als Schongang ausgelegt ist, liegen bei 100 km/h gerade mal 2.250 U/min an. Das Handling, was in der Stadt schon klasse war, kommt jetzt hier voll zur Geltung. Von wegen Amis können nur geradeaus, völlig relaxt folgt die Victory Cross Roads kleinsten Lenkimpulsen, sehr wenig Lastwechselreaktionen und Bremsen, die den Namen wirklich verdienen. Die Füße ruhen auf Trittbrettern, die wohl für Schuhgröße 68 gemacht wurden. Dazu passt auch, dass Schalthebel und Bremshebel sich dreifach in der Länge verstellen lassen. Der Lenker liegt so bequem in der Hand, dass ich träume – halt, stopp Jungs, wir fahren in die falsche Richtung, der Sonnenuntergang liegt im Westen. Nach viel zu kurzer Zeit liegt Angermünde rechts voraus. Harald hatte Recht, das Wallenstein war offen; schon schick, wenn man "bekannt" ist und vorher anruft. Beim Essen wusste ich, warum der Rest der Truppe sich gefreut hatte herzukommen, das Essen ist hervorragend bei normalen Preisen, wer hätte das gedacht?

Die Victory Judge fühlt sich 80 Kilo leichter an

Als die Rückfahrt ansteht, bekomme ich die Victory Judge. Ein Motorrad, das aussieht, als wenn Steve "Bullet" McQueen es in seinen besten Filmen Mitte der 70er-Jahre aus einem halben Musclecar gebaut hat. So muss das sein. Die Sitzposition ist völlig anders als auf der Victory Cross Roads. Die Beine ruhen auf normalen Rasten und der Oberkörper liegt leicht gespannt nach vorne. Mhh, da muss ich mich dran gewöhnen. Motor starten, dasselbe wie bei der Cross Roads – nix zu hören, aber zum Glück ist eine Hammer bei, die hat einen richtigen Auspuff dran und das Gerät röhrt. Klack, Turmluke zu und los geht’s.

Befeuert wird die Cross Roads durch einen 106-Cubic-inch Freedom 2-Zylinder V-Motor.
Befeuert wird die Cross Roads durch einen 106-Cubic-inch Freedom 2-Zylinder V-Motor.

© Achim Schmidt

Was ist das? Der Motor hat gefühlte 20 PS mehr oder das Gerät wiegt 80 kg weniger. Ein Blick in die Daten sagt: Beides stimmt nicht. Was für ein Unterschied beim Fahren. Durch Angermünde ist die Judge geradezu spielerisch zu handhaben; das macht ja richtig Spaß. Auf der L 23 wieder eine Überraschung: Die Schräglagenfreiheit ist deutlich geringer als bei der Cross Roads. Das hätte ich so nicht gedacht. Bei der Judge setzen die Fußrasten komplett beherrschbar auf und die "Angstnippel" verteilen Autogramme auf der Straße.
Bei beiden Fahrzeugen, die ja den gleichen Motor haben und sich nur im Ansaugtrakt und im Auspuffsystem unterscheiden, ist festzuhalten, dass man sich festhalten muss. Die Teile drücken, für ein amerikanisches Fahrzeug im Serienzustand, mit solcher Kraft nach vorne, dass es einem richtig warm ums Herz wird. Dabei laufen die Motoren, für Zweizylinder wohlbemerkt, erstaunlich laufruhig. Und der Benzinverbrauch ist mit unter sechs Litern im mehr als akzeptablen Bereich.

Neuer Marke ab Oktober

Nach einer viel zu kurzen Rückfahrt muss ich leider die Judge wieder abgeben. Mein Resümee: Für die Stadt die Judge, für Landstraße die Cross Roads – aber der Trend geht ja eindeutig zum Zweitmoped.

Für die Biker Börse am Start: Achim Schmidt, hier auf der Victory Cross Roads Classic.
Für die Biker Börse am Start: Achim Schmidt, hier auf der Victory Cross Roads Classic.

© Schätzchen/Schmidt

Ich kann jedem nur empfehlen, sich die Fahrzeuge von Victory einmal genauer anzusehen und zu testen. Und für alle, die mit dem Namen Victory ein Problem haben, weil nicht berühmt oder bekannt genug: Polaris, der Hersteller von Victory, hat ab Oktober mit dem Brand "Indian" ein ganz heißes Eisen im Feuer. Wenn diese Bikes, woran eigentlich kein Zweifel bestehen sollte, genauso gut gehen wie die Victorys, steht uns ein heißer Herbst bevor. Und wer sagt denn, dass wir jeden Trend mitmachen sollen? Drei Eisen in der Garage – ich träume schon wieder vom Sonnenuntergang...

Victory Motorcycles - Die erst 1997 als Tochter der Polaris Industries gegründete Marke fertigt Tourer, Chopper und Cruiser, welche inzwischen auch in Deutschland zu haben sind. In Berlin gibt es die stylischen Bikes im Motorrad Center Friedrichshain. Achim Schmidt von der Biker Börse durfte Platz nehmen und durchstarten.

Touring auf amerikanisch: Die Victory Cross Roads Classic.
Touring auf amerikanisch: Die Victory Cross Roads Classic.

© Hersteller

Die Victory Judge ist eher ein klassischer Cruiser.
Die Victory Judge ist eher ein klassischer Cruiser.

© Hersteller

Achim Schmidt

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