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Mehr als hübsch: Das E-Bike ist nicht mehr nur ein Rad mit Akku. Es wird stylisch und der Energiespeicher ist kaum mehr zu erkennen.

© Hersteller

Trends von der Eurobike 2015: Schicker, schneller, leichter

Auf der Messe Eurobike in Friedrichshafen wurde das Rad zwar nicht neu erfunden - aber Trends gesetzt. Und das mit elektrischem Rückenwind.

Alles neu macht der August – zumindest was Fahrräder angeht. Seit sich die muskelbetriebene Fortbewegung auf zwei Rädern vom günstigen Verkehrsmittel für Geringverdiener zur Mobilitätsalternative für verstopfte Großstädte, zum Fitnesstrainer und Sportgerät für Gesundheitsbewusste und zum Statussymbol hipper Stadtmenschen gemausert hat, schaut die Fachwelt im Hochsommer nach Friedrichshafen an den Bodensee, wo aktuell rund 1350 Hersteller auf der Messe Eurobike ihre Neuheiten präsentieren.

Das Rad komplett neu erfinden kann man zwar nicht mehr, aber es gibt doch immer wieder Neues. Ein Beispiel: Peer Steinbrücks „Hätte, hätte, Fahrradkette“ muss man künftig umtexten, weil der Antrieb der Velos wohl bald von einem Zahnriemen aus Karbon erledigt wird, der wartungsfrei ist und von dem man keine schwarzen Waden bekommt.

Der Trend zu E-Bikes zeigt sich ungebrochen

Ungebrochen ist aber vor allem der Trend, Fahrräder mit einem elektrischen Zusatzantrieb aufzumotzen. Bisher galt das vor allem für Alltagsräder für den Stadtverkehr und für Tourenräder, jetzt haben auch die Mountainbiker das E ganz offenbar für sich entdeckt. Mit Schmackes durch Wald und Flur, hechelfrei Richtung Bergstation – was Offroad-Puristen wohl als Niedergang der Hartwaden-Kultur bedauern, ist einer der Trends der Messe. Und nicht nur da, in diesem Sommer gab es unterstützt von Motorenhersteller Bosch bereits eine Rennserie für Mountainbikes mit Elektromotor. Klingt abstrus, scheint aber angenommen zu werden. Beim Auftaktrennen auf der schwäbischen Alb erklärte der zweitplatzierte ehemalige Elite-Amateur Hans-Peter Engelhart: „Nachdem bergauf alle fast gleich schnell sind, werden die Rennen bergab durch Technik entschieden.“ Nun ja – ob das die Zukunft ist, wird sich zeigen.

Kette war gestern: Im Citybereich und unter den Tourenfahrern setzt sich der Karbonriemen immer mehr durch. Seine Vorteile: So gut wie keine Wartung und keine schwarzen Waden.
Kette war gestern: Im Citybereich und unter den Tourenfahrern setzt sich der Karbonriemen immer mehr durch. Seine Vorteile: So gut wie keine Wartung und keine schwarzen Waden.

© pd-f

Auf jeden Fall durchsetzen wird sich ein weiterer großer Trend bei den Pedelecs. E-Bikes sollen vor allem optisch edler werden. Die bisherigen Modelle sind meist ganz normale Fahrräder, an die man, grob gesagt, einen Motor und einen Batteriekasten drangeschraubt hat. Die Funktion war wichtig, die Optik egal, sodass die meisten Räder mit den wuchtigen Batteriekästen und dem unförmigen Antrieb am Rahmen oder in den Laufrädern nicht besonders attraktiv aussahen. Vorsichtig gesagt. Das wird künftig anders – integrierte Lösungen glänzen in Friedrichshafen auf den Messeständen. Auch hier läuft viel bei Mountainbikes. Das deutsche Bike Focus Jarifa i29 versteckt zum Beispiel den Akku komplett im Unterrohr. Die US-Schmiede Specialized gewann mit ihrem Turbo Levo FSR einen Messepreis, weil die „Integration des Antriebssystems perfekt umgesetzt ist“, wie es in der Begründung heißt. Kurzum – man wird künftig das E-Bike nicht mehr als solches erkennen können. Zumindest nicht auf den ersten Blick.

Eine revolutionäres E-Bike namens Freygeist aus Berlin

Fast schon revolutionär gelingt die Integration dem Crowdfunding-Jungunternehmen Freygeist. Die Berliner präsentieren ein stylisches E-Bike für die Stadt, bei dem man mindestens dreimal hinschauen muss, um an der Hinterradnabe Anzeichen des Elektromotors zu erkennen, die Batterie ist komplett unsichtbar im nicht besonders dicken Unterrohr des Alurahmens verbaut, die Ladebuchse versteckt. Und das Ganze bei einem Gesamtgewicht von nur zwölf Kilo. Auch das ein Zukunftstrend. E-Bikes sind in der Regel von 18 Kilo an aufwärts unterwegs. Wie Freygeist ein Antriebssystem mit so wenig Gewicht einsetzten kann, das zudem noch bis zu 100 Kilometer Reichweite bei 300 Watt Leistung garantieren soll, ist noch deren Geheimnis, da die ersten Räder gerade erst auf dem Markt sind.

Mal kurz abbiegen: Bei den Mountainbikes scheint sich der Trend zu E-Bikes immer mehr zu etablieren. Die Zusatzenergie gleicht Leistungsunterschiede aus und ermöglicht auch Hobbyfahrern steile Anstiege zu nehmen.
Mal kurz abbiegen: Bei den Mountainbikes scheint sich der Trend zu E-Bikes immer mehr zu etablieren. Die Zusatzenergie gleicht Leistungsunterschiede aus und ermöglicht auch Hobbyfahrern steile Anstiege zu nehmen.

© pd-f

Ein technisches Ausrufezeichen ist das von Österreichern entwickelte und in China produzierte Velo aber auf jeden Fall. Die Belast- und Haltbarkeit des leichten Akkus wird sich in der Praxis aber erst noch zeigen müssen. Bei einem Preis von 3990 Euro sollte man aber schon davon ausgehen können, dass der Akku auch etwas taugt. Das Federgewicht des Freygeist erklärt sich übrigens zumindest teilweise damit, dass das Rad komplett reduziert unterwegs ist, also ohne Schutzbleche, Ständer, Gepäckträger oder Lichtanlage.

Elektrischer Rückenwind beim Rennrad eher kein Thema

Gewicht ist auch das Thema, warum der E-Motor im Rennradbereich immer noch kaum eine Rolle spielt. Selbst der leichteste Antrieb würde aus einem Sieben-Kilo-Rennpferd einen Ackergaul machen. Zudem hat der passionierte Rennradler den Akku lieber im Oberschenkel. Deshalb sitzt er ja im Sattel, weil er die Last des Tretens als Lust empfinden kann. Neues gibt es aber auch hier, vor allem an der Aerodynamik wird getüftelt. Vorbau- und Lenker aus einem Guss oder im Rahmen integrierte Bremssysteme liegen im Trend. Seltsamerweise auch die Scheibenbremse, obwohl die in Sachen Windwiderstand nicht besonders günstig ist.

Rad (fast) ohne Kabel: Der amerikanische Hersteller Sram bringt eine Schaltung mit Funkverbindung auf den Markt. Elektrische Schaltungen sind im Rennradbereich ohnehin sehr beliebt.
Rad (fast) ohne Kabel: Der amerikanische Hersteller Sram bringt eine Schaltung mit Funkverbindung auf den Markt. Elektrische Schaltungen sind im Rennradbereich ohnehin sehr beliebt.

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Trotzdem wird in der kommenden Saison zumindest das französische Worldtour-Profiteam AG2R mit Scheibenbremsen Rennen fahren, der Trend scheint also nicht aufzuhalten zu sein, obwohl es immer noch technische Bedenken gibt. Hobbyfahrer berichten in Foren immer wieder über massive Bremsprobleme durch Überhitzung bei langen Abfahrten im Hochgebirge. Ungebrochen scheint auch die Liebe zu Rädern im Hochpreissegment zu sein. Der kanadische Rennradhersteller Cervelo hat kürzlich eine auf 200 Stück limitierte Auflage seine Topmodels S5 im Design des afrikanischen Profiteams MTN-Qhubeka für 13 900 Euro angeboten – die Räder sind bis auf wenige verkauft, die nach der Messe wahrscheinlich auch weg sind.

Neuer Trend aus den USA: Gravel Racer

Rennräder bleiben also immer noch etwas für Menschen, die sich gerne körperlich fordern. Aber auch hier ist ein Trend zu erkennen, dass man es sich zumindest ein klein weniger leichter machen will. Aus den USA kommen jetzt die sogenannten Gravel-Racer nach Europa. Das sind Rennräder mit etwas breiteren Reifen, Scheibenbremsen und einer Rahmengeometrie, die auf eine bequemere Sitzposition und einen ruhigen Geradeauslauf ausgelegt ist. Im Marketingdeutsch beschreibt man das als „das Rennrad zum Abbiegen“, also ein Velo, mit dem man auch mal über einen holprigen Feldweg rumpeln kann.

Schön, schnell und elektrisch: Die Idee wurde in Österreich geboren, mittlerweile ist Freygeist nach Berlin an den Potsdamer Platz.
Schön, schnell und elektrisch: Die Idee wurde in Österreich geboren, mittlerweile ist Freygeist nach Berlin an den Potsdamer Platz.

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Bisher war das typmäßig streng getrennt, Rennräder waren für die Straße, Crossräder die Sportversion fürs Gelände: beides Spezialmaschinen mit sportlich ausgelegtem Rahmendesign. Das Gravel-Bike soll jetzt so etwas wie ein Mittler sein. Ein Trend, der sich aber erst noch beweisen muss. Vor einem Jahr hat man in Friedrichshafen das Fatbike, also ein Rad mit extrem breiten Reifen, als neuen Trend ausgerufen. Der SUV auf zwei Rädern verbreitet sich aber doch eher langsam.

Und wie es mit dem Gravel-Racer weitergeht, sieht man dann im August 2016, wenn sich die Szene wieder am Bodensee trifft.

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