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Ans Werk. Dirk Gieselmann in seinem neuen Reich, dem Restaurant Pauly Saal.

© Doris Spiekermann-Klaas

Neuer Koch für den "Pauly Saal": Er wollte Küche statt Disko

Die Avantgarde der Avantgarde ist die Tradition. Dirk Gieselmann, früher Küchenchef der berühmten „Auberge de l'Ill“ im Elsass, übernimmt im „Pauly Saal“.

Welche Herausforderung könnte ein Chef noch suchen, der auf Tahiti elsässisch gekocht hat und die Küche eines der berühmtesten Restaurants der Welt leiten durfte? Viel mehr als Berlin kommt da kaum noch in Frage - und deshalb ist die Ankunft von Dirk Gieselmann im „Pauly Saal“ durchaus folgerichtig zu nennen.

Eine Überraschung ist sie trotzdem, denn die Berliner Spitzenküche wird bekanntlich von Eigengewächsen dominiert und jungen zugereisten Nachwuchskönnern. Ein Schwergewicht von weit draußen ist seit vielen Jahren hier nicht mehr angelandet. Gieselmann aber ist ein solches Schwergewicht. Auch wenn er bislang nicht direkt als „Sternekoch“ gelten kann, besteht seine neue Aufgabe, die er unmittelbar nach Ostern antritt, selbstverständlich darin, den Stern für den „Pauly Saal“ zu verteidigen. Das ist insofern komplizierter als es sich anhört, weil sein Vorgänger Arne Anker einen ganz anderen Stil pflegte. Der kam aus der Avantgarde-Schule des Holländers Sergio Herman, während Gieselmann ganz und gar von der modernen französischen Klassik geprägt ist und diesen Stil auch im Pauly-Saal fortsetzen will - eine Wende.

Das Restaurant gehört zum „Grill-Royal"-Reich von Boris Radczun und Stephan Landwehr, und es war wohl auch die zufällige persönliche Bekanntschaft mit Radczun, die Gieselmann nach Berlin brachte. Zuvor hatte er gut ein Jahr als Küchendirektor im „Four Seasons Resort Hampshire“ gearbeitet, inmitten einer grünen Golflandschaft westlich von London - aber das passte auf Dauer nicht, nicht für einen Familienvater mit zwei Kindern. Vor allem sagt er: „Ich wollte in die Küche zurück.“ Als Küchendirektor eines Luxushotels mit mehreren Restaurants tut man alles Mögliche, Kochen gehört normalerweise nicht dazu.

Zwischen Elsas und Südsee

Gieselmann, 48, stammt aus Düren. Er begann auf Wunsch seines Vaters, Maschinenbau zu studieren. „Aber wenn die anderen am Samstagabend in der Disco waren, habe ich lieber in der Küche gestanden“, erinnert er sich. Schlüsselerlebnis: Er wollte die Freundin mit einem Hummer beeindrucken, erwischte aber in der Tiefkühltruhe einen fertig gegarten. „Den hab ich dann noch mal gekocht, das war natürlich eine Katastrophe.“ Genauso zäh wie dieser Hummer war aber das Studium, und deshalb wechselte er kurz entschlossen von der TH Aachen ins damals beste Restaurant der Stadt, das zweibesternte „Gala“.

Nach der Ausbildung sollte er in Paris kulinarische Höhenluft schnuppern, konnte aber kaum ein Wort Französisch, warf nach einer Woche hin und musterte bei Adolf Frey in der „Rebstock- Stube“ im badischen Denzlingen an. Von dort ist es nur ein Katzensprung ins Elsass, Frey hatte in der weltberühmten „Auberge de l'Ill“ gelernt, nahm seinen talentierten jungen Chef de Partie einfach mal mit, und der blieb dann gleich.

So kam Dirk Gieselmann ins Elsass. Doch weil die Auberge damals eine Partnerschaft mit dem „Intercontinental Tahiti“ pflegte, wurde er nach einiger Zeit in die Südsee verschickt, um dort als Sous-Chef die Klassiker von Paul Haeberlin zu kochen, den soufflierten Lachs und das Froschschenkel-Mousseline. Von dort wechselte er ins nicht minder berühmte New Yorker „Le Cirque“, brach aber ab, weil seine Freundin kein US-Visum erhielt. Zurück nach Frankreich, an die Cote d'Azur zu Alain Llorca im „Negresco“ in Nizza, dann als Sous-Chef zu Olivier Brulard in die „Reserve de Beaulieu“ - zwei Zitadellen der modernen mediterran-französischen Küche. Bei Brulard blieb er vier Jahre. „Das ist ein Wahnsinnstechniker, der mir viel beigebracht hat, einer meiner handwerklichen Väter.“

Mit französischem Akzent

Dann riefen 2007 die Haeberlins an, die einen Küchenchef suchten. Gieselmann kehrte zurück, avancierte eine Weile auch zu Marc Haeberlins Schwiegersohn und hätte wohl auf lange Sicht dessen Nachfolger werden können, „aber das hat dann nicht geklappt...“ Seine heutige Frau fand er im Internet - sie arbeitete im Management eines Hotels in Bora Bora. Zusammen gingen sie zum „Four Seasons“ nach Johannesburg, zwei Jahre später nach England. Familie aber, das fanden sie beide, geht besser in Deutschland, und alles weitere ergab sich.

Im Gespräch mit den beiden Machern des „Pauly Saal“ legte er seine Optionen dar - eigentlich gab es nur eine. „Ich habe mein Leben lang französisch gekocht, ich kann gar nichts anderes. Und dann haben wir überlegt, ob es überhaupt einen guten Franzosen gibt in Berlin, da sind nicht viele.“ Was bedeutet das genau? Gieselmann nennt zuerst die große Bedeutung der Saucen und klassischen Zubereitungen wie die Seezunge Meunière. Im Mittelpunkt stehe aber der Respekt vor dem Hauptprodukt. „Ich brauche nicht acht Aromen auf dem Teller, mir reichen drei oder vier.“

Für die Einarbeitung direkt nach Ostern hat er ein einheitliches Fünf- oder Sechs-Gang-Menü geschrieben, das aber später bei jedem Gang Alternativen anbietet. Die Produkte sollen, wo möglich, aus der Region kommen. Tatar vom Wolfsbarsch mit Austern und Kaviar-Eis, Karottenterrine mit Kaisergranat, Erbsensuppe mit Räucheraal, Rotweinei mit Pilzen, Wachtel mit Gänseleber und Trüffel in Blätterteig (Illhäusern lässt grüßen), Kabeljau mit Brandade, knuspriges Schokoladen-Moelleux - so wird der Start des Küchenchefs aussehen. „Es geht um Geschmack“, sagt er, „ich mache keine Instagram-Fische.“ Der „Pauly Saal“ hat 2012 mit traditioneller Küche angefangen, jetzt geht es ein Stück zurück in diese Richtung. Die Gäste dürfen gespannt sein.

Pauly Saal. Auguststr. 11 - 13, Mitte, Beispiele aus dem neuen Menü. Erbsenvelouté à la française mit Räucheraal, Quark Gnocchi und Kopfsalat mit Knoblauch Croutons (oben). Wachtel-Tournedos mit Foie Gras, gefüllte Frühlingszwiebel mit Innereien und Trüffel-Sauce.

Fotos: Doris Spiekermann-Klaas; Chris Abatzis / promo (2)

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