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Politik: ...alle Fernsehgeräte schweigen

Fernsehen, na ja. Wir tun’s halt.

Fernsehen, na ja. Wir tun’s halt. Zwar neigen kulturkritisch fixierte Feuilletonisten immer noch zum Erröten, wenn wir sie beim RTL2Gucken erwischen, aber das war’s dann auch: Fernsehen ist eine gesellschaftlich akzeptierte Beschäftigung. Aktiv! Passivfernsehen hingegen ist grässlich, wie Passivrauchen, nur schlimmer, giftiger. Wer einmal versucht hat, sich beim Italiener auf Pizza und Pasta zu konzentrieren, während in der Glotze auf dem Weinregal Florenz und Bari um den Risotto-Cup kicken, der weiß Bescheid. Höhnisch begrüßt uns das Bild beim Betreten des Hotelzimmers, und beim Warten auf den Flieger ist es auch nicht besser: Das tonlose n-tv-Programm saugt die Blicke an, unten rauschen die Börsenkurse durch, und wir starren drauf wie angeschraubt, ohne eine einzige Aktie zu besitzen. Gespräche? Vergessen Sie’s.

Doch welche Gegenmittel gibt es? Wer harte Gegenstände auf die Flugplatz-Flimmerkisten schleudert, riskiert Festnahme und Verlust der bürgerlichen Existenz, wer in der Pizzeria eigenmächtig auf den Knopf drückt, zumindest Prügel. Es müsste was Heimliches, Ferngesteuertesgeben. Da ist es, und es kommt aus den völlig zu Unrecht so viel bekrittelten USA: TV-B-Gone.

15 Dollar kostet der Schlüsselanhänger, dessen Namen wir mal mit „Zisch ab, Glotze!“ übersetzen wollen. Er wird dieser Tage ausgeliefert und erlaubt es, etwa tausend verschiedene Fernseher-Modelle aus sicherer Entfernung abzuschalten. Ein Fingerdruck – und schon verabschieden sich erst die Sonys in den Dämmerschlaf, dann nach und nach alle anderen. Himmlische Ruhe bricht aus, die Blicke der Menschen finden wieder zueinander, sie konzentrieren sich auf das Wesentliche, reichen sich die Hände…

Ähm: Wo waren wir gleich? Ah ja. Erste Versuche haben ergeben, dass die meisten Anwesenden es überhaupt nicht merken, wenn man ihnen das Bild wegschaltet, außer in Hongkong, wo es fast eine Massenhysterie gab. Aber das sagt mehr über Hongkong als über das Wundergerät aus. Für hiesige Verhältnisse wünschen wir uns dennoch eine andere Variante, die auf MP3-Player, MD-Recorder, Walkmen und ähnliches Teufelszeug einwirkt. Da sitzen sie in der U-Bahn, stumpf dösend hinter ihren Ohrhörern, quälendes Zischbumm und Uffta-Uffta erfüllt die Luft, das Gejodel der „Randfichten“ sickert zerstörerisch ins Kleinhirn. Ein Knopfdruck, und schon wäre Ruhe. Königlich!

Das letzte Jahrzehnt war dem allgemeinen Einschalten gewidmet. Jetzt kommt das Jahrzehnt des Ausschaltens. Wir müssen nur den richtigen Knopf finden. bm

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