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Politik: … der Rhythmus mit muss

Nach hinten raus haben wir heute wahnsinnig viel Zeit. Heute – horribile dictu – ist der Tag, an dem die WM Pause macht.

Nach hinten raus haben wir heute wahnsinnig viel Zeit. Heute – horribile dictu – ist der Tag, an dem die WM Pause macht. Ja, eine WM darf das. Eine WM darf alles. Wir wollen da gar nicht meckern, wirklich nicht. Es mag sogar gute Gründe für diese Auszeit geben, organisatorische, sportmedizinische. Bestimmt muss der Hubschrauber vom Kaiser mal in die Werkstatt, zur Generalüberholung, und die Oberschenkel der Portugiesen am besten gleich mit, weil die Holländer da so engagiert drauf rumgetreten haben.

Das alles braucht Zeit, sicher – nur, schön ist das eben nicht. Es bringt unsereinen unnötig aus dem Rhythmus. Man wird dann schnell unleidlich. Ein bisschen ist es so, als ob man ein Antibiotikum fahrlässig absetzt – wissend, dass man es in zwei Tagen doch wieder einnehmen wird.

Die vergangenen zweieinhalb Wochen hatten schließlich etwas Sinnstiftendes. Sie haben den Tag vernünftig strukturiert, sie haben ihn effizienter gemacht. Zielstrebig, mit klaren Vorgaben hat man seine Verrichtungen vorangetrieben, statt, wie sonst üblich, gedankenverloren vor sich hinzuprötteln. Ab 15 Uhr – dem Chef aus dem Weg gehen, ab 16 Uhr den Kollegen. 16 Uhr 48, beispielsweise: jetzt keine Telefonate mehr, bitte, damit man ungestört die Hymnen hören kann. 16 Uhr 57 – die Unterlagen vom Schreibtisch und Füße hoch. 17 Uhr 49 – auf die Toilette gehen. 17 Uhr 57: zweites Pils. Der Körper ist für eine gewisse Regelmäßigkeit ja so dankbar.

Das hat auch der Hamburger Zukunftswissenschaftler und Freizeitforscher Horst W. Opaschowski schon festgestellt, ganz sicher, wir haben das gestern in der Hektik des Tages (so um 16 Uhr 22) allerdings nicht mehr ganz so genau wie sonst üblich nachprüfen können. Gestern war ja noch WM, Brasilien – Ghana, und die Brasilianer singen doch immer so schön.

Und heute? Heute singt keiner. Eine gewisse Leere umgibt einen. Soll man sie überhaupt füllen? Und wie? Gut, man könnte sich daheim mal mit seiner Frau unterhalten, nachfragen, was die Kinder so in der Schule machen, es gibt ja bald Zeugnisse. Nur – lohnt das? Löst sich da nicht möglicherweise ein Mitteilungsstau, gewaltig und letztlich nicht mehr rechtzeitig vor dem Viertelfinale zu stoppen? Übermorgen schon ist Freitag, so viel Zeit ist bis dahin nun auch wieder nicht.

Bei der Tour de France setzen sie sich an Ruhetagen auch aufs Rad und treten, was das Zeug hält. Das soll uns eine Lehre sein. Bloß nix verändern. Was? 16 Uhr 48? Jetzt keine Telefonate mehr. Vbn

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