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Politik: … die Fragen offen bleiben

Es gibt kaum eine größere Herausforderung des Alltags als die Kunst, einer unliebsamen Frage auszuweichen. Schier endlos breitet sich das Band der stockenden Verlegenheitsprosa, der mit rotem Kopf gestammelten Notlügen vor uns aus, und das nicht nur, weil so mancher bereits am simplen: „Wo warst du gestern Nacht, Schatz?

Es gibt kaum eine größere Herausforderung des Alltags als die Kunst, einer unliebsamen Frage auszuweichen. Schier endlos breitet sich das Band der stockenden Verlegenheitsprosa, der mit rotem Kopf gestammelten Notlügen vor uns aus, und das nicht nur, weil so mancher bereits am simplen: „Wo warst du gestern Nacht, Schatz?“ scheitert.

Nein, der Fiaskos sind viele – und so, wie es ein Soziologiestudent vor Jahren bei der mündlichen Prüfung an der Uni Mainz gemacht hat, geht es natürlich auch nicht. Der Studiosus bat, nachdem er gleich zu Anfang dreimal in Serie hatte passen müssen, seinen Prof, sich doch mal eine andere Frage auszudenken als fortwährend solche, die sich mit dem Staatsverständnis ihm gänzlich unbekannter Theoretiker befassten. Na gut, sagte der Professor. Dann fragte er: Wie geht’s denn so daheim?

Man sieht daran, dass man in bestimmten Situationen das Geschäft der Gesichtswahrung keinesfalls zu offensiv betreiben sollte. Denn obwohl der Student natürlich einiges zu seinen häuslichen Verhältnissen zu sagen gehabt hätte, war die Prüfung dann doch sehr schnell zu Ende.

Ein wenig geschickter war weiland Jürgen W. Möllemann in einem Telefoninterview im Radio vorgegangen. Möllemann, Bildungsminister in Zeiten, da Pisa noch als eine Stadt in Italien galt, hatte sich über den mangelnden Wissensstand der deutschen Abiturienten beklagt und wurde von einem pfiffigen Moderator in aller Herrgottsfrühe seinerseits mit Abiturfragen konfrontiert. Auch hier endete das Gespräch abrupt, wobei Möllemann später einer zusammengebrochenen Telefonleitung die Schuld geben konnte. Immerhin.

Solche Möglichkeiten hat man im Fernsehen nicht, selbst wenn man Silvio Berlusconi heißt und Ministerpräsident von Italien ist. Am Sonntag hatte Berlusconi vor laufender Kamera über sein Verhältnis zu George W. Bush reden sollen – er wollte aber nicht. Bush ist in Italien nicht so beliebt, und vielleicht wäre es noch gut ausgegangen, hätte es Berlusconi so gemacht wie seinerzeit unser liebenswerter Mainzer Student, und offensiv darum gebeten, doch eine andere Frage zu stellen – nach seinem Verhältnis zu Angela Merkel zum Beispiel. Nun, Berlusconi hat das nicht getan. Wutentbrannt verließ er das Studio, „dieser Kanal“, schimpfte er, „ist eine Kriegsmaschine, die gegen den Ministerpräsidenten gerichtet ist“.

Heute ist der Tag, an dem Berlusconi wieder ins Fernsehen muss, zum „Duell“ mit seinem Herausforderer Romano Prodi. Wie wär’s, man würde beide erst mal fragen: Wie geht’s denn so daheim? Vbn

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