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Politik: … die Langsamkeit siegt

Von Franziska van Almsick ist die Klage überliefert, dass alles so hektisch sei. Ein überraschendes Wort von einer Frau, die sonst mit Tempo durchs Leben und durchs Wasser pflügt.

Von Franziska van Almsick ist die Klage überliefert, dass alles so hektisch sei. Ein überraschendes Wort von einer Frau, die sonst mit Tempo durchs Leben und durchs Wasser pflügt. Man könnte jetzt blöde Witzchen reißen über diese Abkehr von der Geschwindigkeit und ihre konsequente Umsetzung in der deutschen OlympiaMannschaft. Und dann müsste man der guten Frau van Almsick raten, heute doch lieber unter dem Plumeau zu kuscheln, als in Athen dem Golde hinterherzuhecheln. Aber ernsthaft kann man Franzi van Almsick nicht laut genug preisen für ihre Entdeckung der Langsamkeit. Sie liegt damit im Trend.

Es kann kein Zufall sein, dass just an dem Tag, an dem in Athen Franzis und unser Lied erklingen soll, im fernen Orlando der Kongress der „Turtle Survival Alliance“, der Schildkrötenschützer beginnt. Eine Konferenz des Tieres schlechthin, jenes rätselhaften Wesens, das älter ist als wir alle zusammen und Familie Feuerstein noch persönlich kannte. Warum? Weil Langsamkeit auf ihrem Panier steht: Sei es die ostafrikanische Glattrandgelenkschildkröte, sei es Testudo hermanni boettgeri oder sei es die wunderhübsche Geochelone carbonaria – sie alle lehren uns, dass Gelassenheit oberste Pflicht ist. Behäbig bleiben und keine Wellen schlagen, damit kommt man durchs Leben. Die Zeichen mehren sich, dass immer mehr diese Lehre verstehen. Almsick eh, oder Jan Ullrich, der zum Glück lieber Weißbier trinkt, als mit dem Rad zu rasen. Aber auch Joschka Fischer, der nicht mehr joggt. Oder Geochelone carbonaria. Sie hört auch auf den Namen Köhlerschildkröte, und wenn das kein Zeichen ist, dass sich unser Bundespräsident nach ihr benannt hat? Machen wir es den Kröten nach, gerade bei Olympia, und lassen die anderen hetzen.

Auf höherer Ebene, sozusagen auf der Relevanzebene, sind wir dennoch vorne. Das hat seinerzeit, so um 450 vor Christus, Zenon von Elea erläutert, als er Achill gegen Hermanni Boettgeri zum Wettkampf rief. Fairerweise bekam Hermanni einen kleinen Vorsprung, und als Achill diesen aufgeholt hatte, war Hermanni schon ein Stückchen weiter. Und so setzte sich das Rennen fort. Wann immer Achill glaubte, Konkurrent Boettgeri eingeholt zu haben, war der wieder ein Stück weiter. Am Ende tat Achill die Ferse weh, und er starb daran. Hermanni Boettgeri aber lebte fort. Was also immer heute, am Tag der Schildkröte, passiert mit Franziska van Almsick, Achill ging es schlechter.uem

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