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Politik: … die Müllfrage sich neu stellt

Heute sagen wir die Wahrheit. Die Mülltrennung, glauben viele Deutsche, sei etwas typisch Deutsches.

Heute sagen wir die Wahrheit. Die Mülltrennung, glauben viele Deutsche, sei etwas typisch Deutsches. Die Mülltrennung, glauben 68er-Hasser, sei eine typische 68er- Ökofuzzie-Teufelei. In einem seiner Bücher schreibt Bücherschreiber Florian Illies: „In keinem anderen Land fände man wohl Verbraucher wie uns, die sich durch ihr schlechtes Gewissen so perfekt zu irgendwelchen komplizierten täglichen Tätigkeiten zwingen ließen.“

Wer sich zum Beispiel in Spanien aufhält und sich während dieses Aufenthaltes die Mühe macht, hin und wieder die Augen zu öffnen, der wird dort bunte Container erkennen. Sie dienen der Mülltrennung. Der sparsame Umgang mit Rohstoffen ist nämlich ein im Grunde globaler und recht vernünftiger Gedanke, dem selbst das eigenwillige Volk der Spanier sich nicht entziehen kann. Dass die angeblich typisch deutschen grünen oder gelben Tonnen und der angeblich zwanghaft-talibanmäßige Trennungswahn zu einer Lieblingsnummer mittelprächtiger Kabarettisten wurden, hat eher mit dem deutschen Selbsthass zu tun, dieser Klischee-Idee, uns für den Sondermüll unter den Völkern zu halten. Wie dem auch sei, die Ära der bunten Tonnen geht zu Ende. Die neuen Zahlen, ganz frisch: In Deutschland ist die getrennt gesammelte Müllmenge 2004 um zwei Prozent geringer gewesen, auch 2003 gab es einen Rückgang. Diese Tendenz hängt aber nicht mit einem geistigen Sieg des Neoliberalismus zusammen, sondern mit den neuen Sortieranlagen, die den Dreck nahezu perfekt auseinander fieseln und getrennte Tonnen nach und nach wieder überflüssig machen.

Wirklich perfekt hat die Trennung von Hand nämlich nie funktioniert, in jedem Haus gab es halt diesen einen Typ, der sein Zeug in die falsche Tonne wirft, den Haus-Illies sozusagen. Somit reiht sich auch die manuelle Mülltrennung unter die wohlklingenden Ideen ein, welche an der unverbesserlichen menschlichen Natur gescheitert sind, Seit an Seit mit dem Sozialismus, der Unbestechlichkeit der Fußballschiedsrichter, dem ewigen Frieden und dem Neoliberalismus. Wirklich Verlass scheint in Sport und Politik nur auf die Maschinen zu sein. In Deutschland aber können wir uns wieder ganz auf die Trennung der SPD von ihren Vorsitzenden sowie die Trennung der CDU von ihren Berliner Bürgermeisterkandidaten konzentrieren. Dies sind ebenfalls „komplizierte tägliche Tätigkeiten“, sie müssen aber weiterhin manuell verrichtet werden.mrt

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