zum Hauptinhalt

Politik: ...die Politik auf Diät geht

So ganz gesichert ist die Herkunft des Wortes Karneval nicht. Eine zu vernachlässigende Theorie glaubt den carrus navalis als Ursprung, jenen römischen, vorchristlichen Schiffskarren, der alljährlich durch die Straßen gezogen wurde, um den Wiederbeginn der Schifffahrt anzuzeigen.

So ganz gesichert ist die Herkunft des Wortes Karneval nicht. Eine zu vernachlässigende Theorie glaubt den carrus navalis als Ursprung, jenen römischen, vorchristlichen Schiffskarren, der alljährlich durch die Straßen gezogen wurde, um den Wiederbeginn der Schifffahrt anzuzeigen. Außer zum Narrenschiff bringt einen der carrus navalis aber nicht weiter. Hilfreicher ist da schon der Blick ins Mittellateinische, wo man die carnelevale findet, oder auch, wie wir sagen, die Fleischwegnahme. Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt zum wehmütigen carne vale, Fleisch! lebe wohl!, womit die vorösterliche Fastenzeit beginnt und die letzte Gelegenheit angezeigt ist, sich noch einmal richtig den Wanst voll zu schlagen.

Wir sind in diesen Tagen in der fünften Jahreszeit. In Berlin nennt man sie aber nicht Karneval, in Berlin heißt sie Grüne Woche. Der Westberliner hatte ja früher, als die deutsche Welt noch geteilt war, praktisch kein Umland. Um eine leibhaftige Kuh zu sehen, oder den Unterschied zwischen einem Pferd und einem Schwein zu begreifen, ging er zur Grünen Woche. Seitdem weiß der Westberliner sogar, wo bei einem Schaf vorne und hinten ist. Im Osten der Stadt hatte die Grüne Woche nie eine solche Anziehungskraft. Vielleicht, weil der Ostberliner schnell mal in den Trabant steigen konnte, um in die Uckermark Kühe gucken zu fahren.

Es ist daher nur logisch, dass die Grüne Woche als Mauerrelikt ausschließlich Westberlin gehört, so wie Harald Juhnke, der Funkturm und Thilo Stöhr. Heute, wo die Westberliner alle Bauernhöfe in der Uckermark, der Prignitz und in MecklenburgVorpommern aufgekauft haben, spielt der naturkundliche Aspekt bei der Grünen Woche keine Rolle mehr. Heute wird Berlin aus einem anderen Grund Hauptstadt der Landwirtschaft. Inzwischen dienen die tollen Tage der Völlerei unserer Politiker. Dazu spazieren sie von Stand zu Stand, führen hier ein Würstchen zum Mund, dort ein Schnäpschen, dort einen Käsehappen, dann ein Schnäpschen, hüben ein dioxinarmes Ei, dazwischen ein Schnäpschen, drüben ein Kanapee und ein Schnäpschen. Auch wird Bier gereicht und naturbelassener Wein.

Es ist aber nicht bekannt, ob anschließend, analog zum rheinischen Karneval, auch auf der Grünen Woche alles erlaubt ist. Am Aschermittwoch soll dann ja alles vorbei sein. Ausgeschlossen ist das nicht. Nach der Grünen Woche sind alle unsere Politiker satt und lustig und widmen sich mit frischer Kraft den Diäten.uem

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false