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Politik: ...ein folgenschwerer Reim gefunden wurde

Auch wenn es damals, am 26.August 1841, nicht so aussah: ein historischer Moment.

Auch wenn es damals, am 26.August 1841, nicht so aussah: ein historischer Moment. „Brüderlich mit Herz und Hand“, mag Hoffmann von Fallersleben beim Dichten gedacht haben, „Hand, Hand, blöder Reim. Land, Strand, Rand, Sand, Tand, bäh. Sind des Landes Sonnenstrand? Heller Rand? Letzter Band? Quatsch, dafür gibt mir doch der Pfandleiher keinen müden Heller … Moment mal. Pfand? Sind des Glückes Pfand!“ Na, es wurde nach allerhand Versgerüttel ein etwas sprödes „Unterpfand“ draus, eher Sound als Sinn, und endlich durfte das deutsche Vaterland blühen im Glanze seines Glückes. Die potenzielle Nationalhymne war fertig.

Fraglos ahnte der Dichter nicht, dass sein patriotisch glühender Dreistropher unter der Schlagzeile „Deutschland, Deutschland über aha-les“ dereinst das Leitmotiv für allerlei größenwahnsinnige Machenschaften abgeben würde. Als alles vorbei war und Deutschland unter allem, sprach es sich mit Fallerslebens dritter Strophe Mut zu und arbeitete sich in der Weltgemeinschaft wieder nach oben, bis hin zur Aussicht auf einen festen Sitz im Weltsicherheitsrat.

Hitler, der sich wohl gern selbst als eine Art Weltsicherheitsrat in eigener Sache sah, ist in all diesen Windungen moderner Außenpolitik ein wenig in Vergessenheit geraten, falls man das so sagen kann, einbalsamiert neben den anderen großen Untoten der Geschichte wie Dschingis Khan oder Stalin. Doch nun zerrt ihn der Film „Der Untergang“ nach 60 Jahren ans Licht, zeigt in der Interpretation von Bruno Ganz einen emotionsgesteuerten Todgeweihten, der weint und tobt und lacht, der seine Eva Braun küsst und sich charmant gibt zum weiblichen Personal des Führerbunkers. Ein Mensch! Auch Joseph Goebbels, der zweitfinsterste, rückt uns auf seltsame Weise näher, wenn er in Lutz Hachmeisters Dokumentation „Das Goebbels-Experiment“ mit der Stimme Udo Samels aus seinen Tagebuchnotizen vorträgt. Der Film soll im Winter ins Kino kommen.

Ist das nun die Entdämonisierung der Nazi-Dämonen? Und wenn ja, wie wäre sie zu bewerten? Ist es legitim, in die Grauzonen zu leuchten, die versteckt blieben, weil ein Blick hinein möglicherweise die Erneuerung Deutschlands nach dem Krieg gefährdet hätte? Es spricht nicht mehr viel dafür, dass das Land aus der fortgesetzten Entrückung des Monsters noch demokratischen Gewinn ziehen könnte – sie nützte wohl eher den unbelehrbaren Anhängern.

Hoffmann von Fallersleben konnte das alles nicht ahnen. Aber er würde vermutlich ertragen, dass uns die dritte Strophe immer viel näher sein wird als die erste. bm

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