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Politik: ... er Du zu ihr sagt

Das Ihrzen und Erzen ist ein wenig aus der Mode gekommen mit den Jahren. Das berühmteste Erzen stammt natürlich von Goethe, wem sonst.

Das Ihrzen und Erzen ist ein wenig aus der Mode gekommen mit den Jahren. Das berühmteste Erzen stammt natürlich von Goethe, wem sonst. „Er aber, sag’s ihm, er kann mich am …“ Aber diesmal bleibt der Götz im Schrank. Hier und heute wird geduzt, und zwar in einer Art und Weise, mit der Dero von Berlichingen nichts zu tun hat. In aller Freundschaft nämlich.

In den achtundsechziger Jahren und auch noch danach war das Siezen völlig out. Irgendwie bourgeois, spießig und so was von reaktionär. Das Volk war schließlich Genosse, Genossen duzen einander. Außerdem begann die Zeit des Kuschelns. Kuscheln und siezen ist doof. Angela Merkel und Edmund Stoiber duzen einander seit Kurzem. Ob das ein genossenschaftliches Du ist oder ein kuscheliges Du, wird die Zeit zeigen. Wahrscheinlich keins von beiden. Es gibt ja auch noch andere Dus, das trink- und handfeste Du etwa zwischen Gerhard Schröder und Wladimir Putin.

Ein weiteres, sehr schönes Du, ist das, was Helmut Kohl zugeschrieben wurde bei dessen Besuch bei der Kollegin Thatcher in England. Es heißt, Kohl, der des Englischen nicht so dolle mächtig war, habe der britischen Premierministerin seinerzeit freundlich dieses Du angeboten: „You can say you to me.“ Die Geschichte stimmt aber nicht, der Satz wäre auch eher Lothar Matthäus zuzuordnen als dem Altkanzler. Außerdem ist Freundschaft für Kohl schweißtreibend, was in der Saunafreundschaft zu Boris Jelzin zum Ausdruck kommt. Mit Kohl in der Sauna war Thatcher gewiss nicht zuzumuten, umgekehrt auch nicht.

Zurück zu Frau Merkel und Herrn Stoiber. Vergangenen Freitag war es, da die beiden in Berlin gemeinsam zu Abend speisten. Früher haben sie zusammen gefrühstückt, jetzt dinieren sie, da ist also eine Entwicklung zu verzeichnen. Edmund, der Ältere – und so gehört es sich ja auch – bot, Angela, der Jüngeren, die freundschaftliche Anrede an. Erfreut, so wird überliefert, habe sie angenommen, man habe die Angelegenheit mit einem Glas Wein besiegelt. Es muss sich also um eine tiefere Angelegenheit handeln, wenn der Kamillenteetrinker Stoiber zum Weine greift. Es ist indes eher nicht anzunehmen und zu hoffen, dass die beiden schon bei den Koseformen Edi und Angie angekommen sind.

Damit ist vergessen, dass sie ihn schon einmal böse rasiert hat. Es ist vergessen, dass er sich, als es wichtig wurde, schnell vom Acker machte zurück auf die bayerische Scholle. Noch eine Warnung: So ein Du ist nicht unverbrüchlich. Doch ist in diesem Fall der Schritt vom Duzen zum Erzen nur ein kleiner. Dann kommt Götz von Berlichingen wieder aus dem Schrank.uem

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