zum Hauptinhalt

Politik: … nur die Hormone zählen

Im Internet, bei SpiegelOnline, kann man sich auch heute den alternativen Olympia-Medaillenspiegel anschauen. Er heißt „Hormonspiegel".

Im Internet, bei SpiegelOnline, kann man sich auch heute den alternativen Olympia-Medaillenspiegel anschauen. Er heißt „Hormonspiegel". Sie zählen dort die ertappten Dopingsünder. Die Überraschungsmannschaft Griechenland führt relativ deutlich vor den tapferen Ungarn, die über sich hinauswachsen, und Altmeister Russland, der mit seinen konstanten Leistungen in den letzten Jahrzehnten stets für eine Medaille gut war. Die Russen darf man im Kampf um den Gesamtsieg keinesfalls abschreiben. Als Geheimfavoriten gelten nach wie vor die Chinesen, die im Moment hinten liegen, aber über ein gefürchtetes Finish verfügen. Bei einer einzigen Kontrolle kann das vielköpfige chinesische Team leicht 12, 15 Dopingsünder in die Waagschale werfen. Den individuellen Weltrekord hält freilich seit langem der Brite Linford Christie, mit dem Hundertfachen des offiziellen Grenzwerts, eine Fabelleistung, die an den legendären Weitsprung von Bob Beamon erinnert, Mexiko City, 1968. So etwas wie Beamon oder Christie gibt es nur alle paar Jahrzehnte.

Bei den für 2006 erstmals geplanten Hormolympics sollen die Athleten in verschiedenen Hormonklassen starten. Beim Testosteronwettbewerb der Damen gewinnt die Athletin mit der stärksten Körperbehaarung, bei den Herren wird, natürlich ohne Kameras, von neutralen Medizinern der Umfang des Hodens gemessen. Testosteron in hohen Dosen lässt die Hoden schrumpfen. Um Chancen auf einen Medaillenrang zu besitzen, sollte die Größe einer Rosine nicht wesentlich überschritten werden. Weil Asthmamittel gerne genommen werden, gibt es in vielen Sportarten eine hohe Zahl offiziell asthmakranker Athleten, die sich bei den Hormolympics zum ersten Mal auf faire Weise miteinander messen, im 100-Kilometer-Radfahren der Asthmakranken. Es ist eine gute Idee, dass im Hormolympiastadion eine Statue von Tom Hicks aufgestellt wird, dem Marathonsieger von 1904, der unter dem Einfluss von Strychnin gelaufen sein soll. Strychnin verleiht Flügel. Auch die Motti der Spiele – „Regelmäßige Einnahme ist wichtiger als Sieg“ und „Ich rufe die Ärzte der Welt!“ – lehnen sich locker an das klassische Olympia an.

Bei einem kürzlich veranstalteten Experiment wurden übrigens Radrennfahrern Pillen verabreicht, die angeblich Anabolika enthielten. In Wahrheit war es nur Zucker. Die Fahrer stellten fast alle neue Bestleistungen auf. Das ist wirklich passiert. Ungedopte Spieler können es schaffen, mitzuhalten, aber nur, wenn sie fest davon überzeugt sind, dass jemand sie gedopt hat. mrt

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false