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Zwei Pässe. Ein Paragraf im Staatsangehörigkeitsgesetz spaltet die Nation. Foto: ddp

© dapd

Streitthema der Bundestagswahl: SPD und Union machen doppelte Staatsbürgerschaft zum Wahlkampfthema

Die Entscheidung zwischen zwei Staatsbürgerschaften sorgt bei Betroffenen für emotionale Belastung. Auch deshalb wollen Union und SPD die doppelte Staatsbürgerschaft zum Wahlkampfthema machen. Die einen sind dafür, die anderen dagegen. Aber warum?

Die einen sehen einen längst überfälligen Akt der Gleichberechtigung, die anderen einen gefährlichen Angriff auf die innere Sicherheit. Dass sowohl die SPD als auch die Union die doppelte Staatsbürgerschaft zum Wahlkampfthema erklärt haben, ist wohl auch einer gesetzlichen Frist geschuldet: Zuwandererkinder mit deutschem und ausländischem Pass, die in diesem Jahr 23 Jahre alt werden, müssen sich spätestens dann entscheiden, welchem Staat sie künftig angehören wollen. Haben sie sich bis zum Stichtag nicht entschieden, geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Deutschlandweit sind rund 3300 Menschen von dieser Regelung betroffen, die Juristen „Optionspflicht“ nennen und die im Jahr 2000 als Paragraf 29 Einzug ins Staatsangehörigkeitsgesetz gefunden hat.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte jüngst angekündigt, im Falle eines rot-grünen Wahlsieges bei der Bundestagswahl im Herbst die doppelte Staatsangehörigkeit dauerhaft einzuführen. Unionsfraktionschef Volker Kauder hatte daraufhin angekündigt, das Thema „auf jeden Fall im Wahlkampf ansprechen“ zu wollen.

Die Sozialdemokraten wollen den Optionsparagrafen am liebsten aus der Welt schaffen und haben in den vergangenen Jahren immer wieder entsprechende Anträge eingebracht. Allerdings scheiterten sie bislang an den Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat. Auch der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) will die Optionsregelung abschaffen. Er sieht darin ein „integrationspolitisch verheerendes Signal“. Die Union, die seinerzeit die Einführung des Optionsparagrafen forciert hatte, will dagegen an der Regelung festhalten und ist weiterhin gegen doppelte Staatsbürgerschaften.

Fraktionschef Kauder hatte in der „Bild“-Zeitung mit Blick auf die Inhaber von Doppelpässen auf potenzielle Probleme etwa bei der Auslieferung von Straftätern hingewiesen. Auch der Obmann der CDU/CSU im Innenausschuss des Bundestags, Reinhard Grindel, hält die Einführung einer dauerhaften, doppelten Staatsbürgerschaft „aus kriminalpräventiven Gesichtspunkten“ für unangemessen. Im Bereich der organisierten Kriminalität sei es gang und gäbe, über sogenannte Scheinehen die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben, um sich einer Abschiebung durch deutsche Behörden zu entziehen, argumentiert er. Laut Grundgesetz dürfen Deutsche nicht ins Ausland abgeschoben werden.

Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD, will der kritischen Sicht der Union nicht folgen: Seiner Meinung nach lassen sich die von den Konservativen angeführten Schwierigkeiten bei der Verfolgung von Straftaten durch bilaterale Auslieferungsabkommen aus der Welt schaffen. Für Hartmann liegt das Hauptproblem des aktuellen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Ungleichbehandlung der Betroffenen. So haben Kinder, die bei der Geburt mindestens einen Elternteil mit deutscher Staatsangehörigkeit haben, keine Optionspflicht – auch dann nicht, wenn sie eine weitere Staatsbürgerschaft besitzen. „Das ist nur schwer nachzuvollziehen“, sagt der SPD-Politiker. Für ihn sollte das Optionsmodell auch noch aus anderem Grund abgeschafft werden: Weil der Zwang, sich für die eine oder andere Staatsangehörigkeit zu entscheiden, viele Menschen in innere, emotionale Konflikte bringt.

Eine Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über die Optionsregelung aus der Sicht der Betroffenen aus dem Jahr 2012 untermauert Hartmanns These: Die Hälfte der Befragten empfand die anstehende Entscheidung für eine Staatsbürgerschaft als Belastung und zögerte einen entsprechenden Beschluss hinaus.

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