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Politik: ... wir die Familie retten sollen

Zwei wichtige Tage liegen vor uns, Tage, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Heute der Internationale Tag der Familie, in der nächsten Woche der nationale Vatertag. Zeitlich ein kleiner Sprung, inhaltlich ein gewaltiger.

Zwei wichtige Tage liegen vor uns, Tage, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Heute der Internationale Tag der Familie, in der nächsten Woche der nationale Vatertag. Zeitlich ein kleiner Sprung, inhaltlich ein gewaltiger. Zugespitzt ließe sich sagen: Am Vatertag dürfen die Väter ungehindert saufen, am Familientag dagegen müssen sie in Gegenwart eines Sozialarbeiters zu verstehen suchen, dass ihre Sauferei die Familie zerstört. Jede noch halbwegs dichte Hüpfburg wird aufgeblasen, jedes Kind, das nicht rechtzeitig wegläuft, zur Miezekatze geschminkt werden, derweil Vater und Mutter bei einem Pott RooibuschTee über Segen und Fluch der Computerspiele debattieren, auf einem so genannten Markt der Möglichkeiten handgesägte Umhängetaschen begutachten oder, falls sie in Linz wohnen, sich der Familienwallfahrt auf den Pöstlingsberg anschließen. Doch während der engagierte Vatertags-Teilnehmer sein Ziel, spätestens gegen fünf rabenstramm vom Kremser zu fallen, in aller Regel erreicht, ist der Familientag in den nunmehr zehn Jahren seiner Existenz praktisch wirkungslos geblieben. Denn die Familie, ausersehen, sämtliche aktuellen Probleme vom Pisa-Desaster bis zum drohenden Zusammenbruch der Rentenkassen zu lösen, mag nicht mehr. Verstockt löst sie sich in ihre Bestandteile auf und zerbröselt zu jenem regellosen Durcheinander, das wir gern Patchwork-Familie nennen.

Die Kinder leiden darunter zuerst: Früher wurden sie vergattert, spätestens um zehn zu Hause zu sein, heute reicht es, wenn sie vage versprechen, beim Kiffen nicht zu inhalieren. Politiker mit vier bis fünf Ehen erreichen locker höchste Staatsämter, sofern sie diese Ehen nur sorgfältig nacheinander schließen; Frauen mit vier bis fünf Kindern dagegen haben größte Schwierigkeiten, überhaupt das nächste Sozialamt zu erreichen. Die nahe liegende Konsequenz bestünde darin, einen Tag der ungeklärten Familienverhältnisse auszurufen, davor schreckt die UN bislang zurück. Denn außerhalb Deutschlands und Europas steht die Familie an vielen Orten stabil wie eh und je. Die künftige indische Premierministerin zum Beispiel ist Sonia Gandhi, eine Italienerin, die sich in den Gandhi-Clan hineingeheiratet hat und nun die Früchte des unverbrüchlichen indischen Familiensinns erntet. Endlich wieder Gandhi, heißt es überall in Indien – doch uns Deutschen hilft das ganz offensichtlich nicht. Denn wer möchte schon im Jahr 2020 wieder von einem Kanzler aus dem Schröder-Clan regiert werden? Wahrscheinlich bleibt doch eher der Vatertag das deutsche Leitmotiv. bm

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