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Peter Born

© dpa

1. Mai: Hamburgs Polizei am Ende ihrer Kräfte

Die schweren Ausschreitungen bei den Mai-Demonstrationen in Hamburg werden ein politisches Nachspiel haben: Auf einer Innenausschusssitzung der Hamburger Bürgerschaft sollen Polizeieinsatz und -taktik zur Sprache kommen.

Rund 2500 Beamte aus verschiedenen Bundesländern konnten am Donnerstag nicht verhindern, dass es hauptsächlich im Stadtteil Barmbek zu den schwersten Ausschreitungen seit rund zehn Jahren in Hamburg gekommen ist. Auf einer Pressekonferenz zog die Polizei am Freitag ihre Bilanz. Demnach ist es zu 59 Festnahmen gekommen. Die meisten Festgenommenen stammen nicht aus der Hansestadt. So kommen zwei mutmaßliche Brandstifter aus Jena, gegen die wegen sechs angezündeter Pkw inzwischen Haftbefehl erlassen wurde. Die Polizei beklagte 30 Verletzte in ihren Reihen. Auch auf Seiten der Demonstranten hab es Dutzende Verletzte.

Aus Sicht des Einsatzleiters Peter Born war die Polizei besonders über die Gewaltbereitschaft der rechtsextremen Demonstranten überrascht. In dem Aufmarsch der Neonazis befanden sich nach seinen Angaben 400 sogenannte Autonome Nationalisten, die sich martialisch an Auseinandersetzungen beteiligten. Das wären doppelt so viele, wie der Verfassungsschutz bisher bundesweit registriert hatte. Polizeichef Werner Jantosch hatte bereits nach dem Einsatz gesagt, wenn die Polizei sich nicht zwischen Linken und Rechten gestellt hätte, wären möglicherweise sogar Tote zu beklagen gewesen.

Die Polizeiführung musste sich aus der Fraktion der Linkspartei die Frage gefallen lassen, warum sie bei der bekannten Gefahrenlage die rechtsgerichtete Demonstration überhaupt hat stattfinden lassen. Jantosch gestand ein: „Wir waren am Ende mit unseren Kräften.“ Überall habe man noch von Mittwoch auf Donnerstag um Verstärkung gebeten, doch „es war nicht mehr möglich, mehr Polizisten zu bekommen“, sagte ein höherrangiger Beamter. Zeitweise konnten weder Brandstiftungen noch Sachbeschädigungen verfolgt werden, da die Uniformierten personell einfach überfordert waren.

„Schwarz-Grün hat noch keinen Kompass, wie man mit Krawallmachern umgeht“, sagte Andreas Dressel, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er will im Innenausschuss über die Geschehnisse reden. Sein CDU-Kollege, Manfred Jäger, war über die massive Gewalt erstaunt: „Es hat sich gezeigt, dass die Gefahrenprognose der Polizei im Vorwege richtig war, die Bewertung des Oberverwaltungsgerichtes falsch.“ Damit teilt er die Kritik des scheidenden Innensenators Udo Nagel, dass das OVG auch in der zweiten Instanz besser beraten gewesen wäre, die Demonstrationszüge von links und rechts räumlich weiter auseinander zu legen. Die Grün-Alternative Liste, neuer Regierungspartner der CDU, wollte sich zum Polizeieinsatz nicht öffentlich äußern, verurteilte aber die Gewaltexzesse.

Auch auf dem Rückweg von Hamburg randalierten Neonazis noch in den Bahnhöfen von Bremen und Dortmund. In Bad Kleinen warteten Rechte offenbar gezielt auf rückreisende Demonstranten der linken Szene und griffen den Zug nach Rostock an. Dabei gab es mehrere Verletzte.

Auf der Anreise zur Demonstration der rechten Szene hatte ein offenbar aus Schleswig-Holstein kommender Trupp kurzerhand eine Regionalbahn von Pinneberg nach Hamburg gekapert: Sie bestiegen zwei Waggons und ließen keine anderen Reisenden mehr zusteigen. Dazu bemächtigten sich die Aktivisten der Lautsprecheranlage des Zuges und verbreiteten darüber rechtsgerichtete Parolen und ausländerfeindliche Beleidigungen: So wurden ausländische Passagiere der Bahn auf Güterwaggons verwiesen. Eine ähnliche Aktion hatte es bereits bei der Bahn- Anfahrt von Kiel zu einer NPD-Demonstration Ende März in Lübeck gegeben.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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