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Politik: 10 Jahre Sanktionen gegen Irak: Kollateralschaden: Der Boykott erreicht sein Ziel längst nicht mehr, sondern trifft unschuldige Bürger (Kommentar)

Niemand spricht mehr darüber: Seit zehn Jahren leidet die irakische Bevölkerung unter den wohl härtesten und umfassendsten Wirtschaftssanktionen, die je von der Weltgemeinschaft gegen ein Land verhängt wurden. Sie sind eine Folge der Aggression des irakischen Diktators Saddam Hussein, der das Nachbarland Kuwait überfiel und annektieren wollte.

Niemand spricht mehr darüber: Seit zehn Jahren leidet die irakische Bevölkerung unter den wohl härtesten und umfassendsten Wirtschaftssanktionen, die je von der Weltgemeinschaft gegen ein Land verhängt wurden. Sie sind eine Folge der Aggression des irakischen Diktators Saddam Hussein, der das Nachbarland Kuwait überfiel und annektieren wollte. Per Militärintervention wurden seine Truppen vertrieben, per Sanktionen sollte Saddam Hussein zur Abrüstung gezwungen werden. Vor allem die USA hofften aber auch, den irakischen Diktator damit zu stürzen. Haben die Sanktionen ihr Ziel erreicht? Ist es nach zehn Jahren gerechtfertigt, sie aufrechtzuerhalten?

Die UN-Waffeninspektoren haben bisher nicht bescheinigt, dass Irak keine Massenvernichtungswaffen mehr produziert. Durch Tricks, Lügen und Täuschungen hat Bagdad verhindert, dass sie umfassenden Einblick in die Rüstungsprojekte gewinnen. Der ehemalige UN-Inspekteur Scott Ritter, eine schillernde Gestalt, die vom CIA-Agenten zum Freund Iraks mutierte, behauptet, Irak besitze seit 1997 keine Massenvernichtungswaffen mehr. Soviel scheint klar: Die Langstreckenraketen sind vernichtet. Auch das Nuklearprogramm ist wohl gestoppt. Bei den biologischen und chemischen Waffen herrscht Unklarheit. Ein Großteil der in der UN-Resolution geforderten Abrüstung ist also gesichert.

Das zweite, ungeschriebene Ziel ist eindeutig nicht erreicht: Saddam Hussein sitzt fester denn je im Sattel. Die Menschen kämpfen um das tägliche Überleben, verfluchen den Westen und werden vom Regime in Schach gehalten, weil dieses das Monopol auf Nahrungsmittel aus dem "Oil for food"-Programm besitzt. Lebensmittelkarten und Registrierungen ermöglichen dem Regime die totale Kontrolle seiner Bürger.

Unterdessen leiden 25 Millionen Menschen an Hunger, Krankheit und Tod - auch wegen der Sanktionen. Die Säuglingssterblichkeit hat sich verdoppelt, die Analphabetenrate vervierfacht. Die Sanktionen bleiben, von der Welt vergessen, in Kraft - ohne ihr ursprüngliches Ziel zu erreichen: Waffenkontrollen gibt es seit Ende 1998 nicht mehr. Die UNSCOM hat sich selbst demontiert, sich politisch von den USA vereinnahmen lassen und schließlich das Land verlassen.

Sicherlich schränkt das strenge Embargo die Möglichkeiten Saddam Husseins ein, Waffen zu produzieren - auch ohne Kontrollen. Aber können Politiker demokratischer Länder es mit diesem Argument rechtfertigen, ein ganzes Volk über Jahre leiden und sterben zu lassen? Die Koppelung von Sanktionen und Rüstungskontrolle funktioniert schon lange nicht mehr. Die Schlussfolgerung müsste sein, beides voneinander zu trennen: Die Sanktionen für Rüstungsgüter und Industrieanlagen, die auch zur Waffenproduktion genutzt werden können, blieben bestehen, alle anderen würden aufgehoben. Zugleich müsste man den Vorschlag des UN-Generalsekretärs Kofi Annan erneuern, ein langfristiges Monitoring der irakischen Waffenproduktion einzuführen. Bagdad hatte damals Einverständnis signalisiert. Zugegeben, eine solche Zusage ist wenig wert. Doch ohne die Kooperation des Irak ist Rüstungskontrolle auch nicht möglich.

Diese Bereitschaft wäre am ehesten zu gewinnen, wenn man die regionale Abrüstung in den Mittelpunkt rückte. Sie stand bereits bei der Madrider Friedenskonferenz auf der Agenda, ist aber völlig in Vergessenheit geraten. Derzeit drängen weder die USA noch das Regime in Bagdad auf Veränderung. Doch alle Länder, die das Embargo mittragen, haben eine Mitverantwortung. Sie müssen die gescheiterte Politik überdenken und Alternativen ausprobieren.

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