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Hundert Jahre danach: Ein Schützengraben am Hartmannsweilerkopf

© Reuters

100 Jahre Erster Weltkrieg: Gedenken am Menschenfresserberg

Zehntausende Deutsche und Franzosen starben im Ersten Weltkrieg am Hartmannsweilerkopf im Elsass. Am Sonntag gedenken beide Staatspräsidenten dort gemeinsam der Toten.

Es war nur ein Nebenkriegsschauplatz ohne strategische Bedeutung, aber mit Tausenden von Toten und Verletzten einer der blutigsten Schauplätze des Ersten Weltkriegs. Neben Douaumont bei Verdun, Dormans an der Marne und Notre-Dame-de-Lorette im Artois ist der Hartmannsweilerkopf in Frankreich eine der vier Stätten des nationalen Gedenkens an den Großen Krieg.

Nun wird der 956 Meter hohe Berg in den südlichen Ausläufern der Vogesen zu einem Hauptort deutsch-französischer Erinnerung an die Vergangenheit und der Verpflichtung für die Zukunft. Am kommenden Sonntag, dem 100. Jahrestag der Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich 1914, werden sich der französische Präsident François Hollande und Bundespräsident Joachim Gauck an der Gedenkstätte auf dem Gipfelplateau in einer Feierstunde vor den Toten verneigen. Beide werden auch den Grundstein für die erste gemeinsame binationale Weltkriegsgedenkstätte legen.

Hier starben 30000 Menschen

In der Sprache der Soldaten, die dort kämpften, litten und starben, war der pyramidenförmig aufragende Berg nahe den Dörfern Cernay (Sennheim), Uffholtz und Guebwiller, den die Elsässer Hartmannswillerkopf nennen, der „Menschenfresserberg“ oder der „Todesberg“. Wie kaum ein anderes Schlachtfeld symbolisiert er den „Irrsinn des Stellungskriegs“, wie der deutsche Historiker Gerd Krumeich sagt. Nach dem vergeblichen Einfall französischer Truppen in die seinerzeit zu Deutschland gehörende Region Mülhausen hatten französische Alpenjäger im Herbst 1914 auf dem Gipfel einen Vorposten errichtet. Wenig später nisteten sich die Deutschen in geringer Entfernung ebenfalls dort ein. Am 30. Dezember kommt es zu einem ersten Scharmützel, in dem der württembergische Infanterist Maximilian Ott tödlich getroffen wird. Er ist das erste Opfer am HWK, so das Kürzel der deutschen Militärführung. Etwa 30 000 andere werden ihm folgen in den Kämpfen, die im Januar 1915 mit großer Heftigkeit einsetzen.

Blutjunge Soldaten

Beide Seiten holen Verstärkungen herbei, graben sich ein und rüsten mit Maschinengewehren und Artillerie auf. Achtmal wechselt im Verlauf eines Jahres die Herrschaft über den Berggipfel und seine Flanken. Anfang 1916 stehen sich Deutsche und Franzosen ungefähr an denselben Stellen gegenüber wie zu Beginn der Kämpfe. Immer wieder werden Vorstöße unternommen, die jedoch zu keinen entscheidenden Gewinnen führen. Daran ändert sich auch nichts, als von deutscher Seite Minenwerfer und später auch Flammenwerfer und von französischer Seite Gasgranaten eingesetzt werden.

Trotz der Brutalität bleibt ein Rest Ritterlichkeit erhalten, wie in einer vom Comité du Monument National de l'Hartmannswillerkopf herausgegebenen Dokumentation festgehalten wird. Als die Deutschen am 21. Januar 1915 nach erbittertem Widerstand einen von französischen Alpenjägern gehaltenen Posten einnehmen, sind sie so „erstaunt über die kleine Zahl der Verteidiger und voller Respekt vor deren Kühnheit, dass das deutsche Kommando der kleinen Besatzung alle militärischen Ehren gewährt und sie am nächsten Tag mit geschulterter Waffe stolz durch die Straßen von Mülhausen in die Gefangenschaft marschieren lässt“.

Solche Legenden verblassen vor der Realität des zunehmend härteren Stellungskrieges. Manche Stellungen liegen nur wenige Meter voneinander entfernt. In der erwähnten Dokumentation wird dazu ein französischer Soldat zitiert: „Zu meiner Überraschung sehe ich etwa zehn Meter vor mir mehrere Boches, die seelenruhig einen Graben parallel zu unserem Graben ausheben (...) Diese Fritz sind noch sehr jung: Sie scheinen kaum 20 Jahre alt zu sein.“

Der Ort ist bis heute gefährlich

Auf Bildern vom Kriegsende gleicht der durch Artilleriebeschuss und Gifteinsatz kahl rasierte Berg einer apokalyptischen Szenerie. Von den 90 Kilometer Schützengräben sind heute 60 geblieben, von den 6 000 Befestigungen noch rund 600. Aber weiter droht Gefahr von bisher unentdeckten Granaten, überwucherten Trichtern und einsturzgefährdeten Tunneln. Zu den Sicherungsarbeiten tragen Einheiten der bei Straßburg stationierten Deutsch-Französischen Brigade bei.

Weithin bedecken Gras, Gebüsch und Wälder die geschundene Berglandschaft. Mittelpunkt der 1932 errichteten „Nationalen Gedenkstätte“ ist eine Krypta mit einem katholischen, evangelischen und jüdischen Altar. Ein gigantischer Sarkophag aus vergoldetem Kupfer ruht auf ihr. Von dort geht der Blick über einen Soldatenfriedhof mit 1 264 Gräbern zum Gipfel. Ein zwanzig Meter hohes weißes Kreuz, das jede Nacht angestrahlt wird, steht dort: das „Kreuz des europäischen Friedens“.

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