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Der Angeklagte André E. - Unterstützer des NSU?

© pa/dpa

114. Tag im NSU-Prozess in München: Streit um Bekleidung des Angeklagten André E.

Militärisch anmutende Cargohosen, Kapuzenpullis, schwarze Lederweste – das Outfit des Angeklagten im NSU-Prozess signalisiert einen Hang zum rockerhaften Machogehabe. Am Mittwoch setzte André E. im Saal 101 des Oberlandesgerichts München noch eins drauf.

Von Frank Jansen

Auf dem diesmal präsentierten, schwarzen Kapuzenpulli prangt die comichafte Abbildung einer vermummten Figur, die in der rechten Hand ein Sturmgewehr hält und in der linken eine Maschinenpistole. Auf den Ärmeln steht „Satanic Warmaster“ und „Black Metal Kommando“. Das ging einem Nebenklage-Anwalt zu weit. Er beantragte, den Pullover zu beschlagnahmen. Die abgebildete Figur sei „ein Statement für den bewaffneten Kampf und eine Sympathieerklärung für die Morde“. Offenkundig waren die zehn Tötungsverbrechen des NSU gemeint. Aufregung im Saal.

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl schickte einen bereits anwesenden Zeugen wieder hinaus. Der Verteidiger von André E. versuchte, zu beschwichtigen: er glaube nicht, dass die Art und Weise der Bekleidung einen Rückschluss auf die Einstellung des Mandanten zulasse. Was der Anwalt nicht erwähnte, vielleicht auch nicht wusste, ist die Bedeutung der Worte auf den Ärmeln. Sie lassen durchaus erkennen, wie André E. tickt.

Satanic Warmaster ist der Name einer Band aus der Szene des sogenannten NS-Black-Metal, einer rechtsextremen Subkultur mit der Neigung zu düsterem Krach. Auf einem der Tonträger der Band findet sich der Titel „Black Metal Kommando“. Mit dem Zusatz „Gas Chamber“, Gaskammer. Damit dürften sich Fragen zur Gesinnung von André E. erübrigen. Zumal bekannt ist, dass auf seinem Körper die Worte „Die Jew Die“ (Stirb Jude stirb) tätowiert sind.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, er habe den NSU jahrelang unterstützt. André E. soll unter anderem Wohnmobile gemietet haben, die Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bei Raubüberfällen und einem Sprengstoffanschlag auf ein iranisches Lebensmittelgeschäft in Köln nutzten. Der Angeklagte schweigt hartnäckig und hat bisher an keinem Verhandlungstag den Eindruck erweckt, dem Prozess mit  besonderem Interesse zu folgen. Am Mittwoch hingegen musste sich André E. ungewohnt regen. Richter Götzl forderte ihn auf, sich hinzustellen, damit alle Prozessbeteiligten den Kapuzenpulli sehen konnten. Erst weigerte sich André E., dann stand er auf und lüftete grinsend die Lederweste über dem Pulli.

Ein Polizist holt den Angeklagten ab

Doch das reichte mehreren Nebenklage-Anwälten nicht. Sie beharrten darauf, das Kleidungsstück müsse sichergestellt werden. Richter Götzl unterbrach die Verhandlung erneut. In der Pause holte ein Polizist mit Kamera den Angeklagten ab, um den Kapuzenpulli aufzunehmen. Danach meinte Götzl, der Antrag der Anwälte auf Beschlagnahme habe sich mit den Fotos erledigt. Etwas überraschend blieb Widerspruch aus.

So konnte die Befragung eines Polizisten beginnen, der am 4. November 2011 in Eisenach das Ende des NSU hautnah miterlebt hatte. Der Zeuge war mit einem Kollegen im Funkwagen unterwegs. Die Polizei suchte nach einem Wohnmobil mit einem Kennzeichen, das mit einem „V“ beginnt. Der Buchstabe steht für Vogtlandkreis. In dem Fahrzeug wurden nach dem Tipp eines aufmerksamen Rentners zwei Räuber vermutet, die am Morgen eine Filiale der Sparkasse in der thüringischen Stadt überfallen hatten. Im Ortsteil Stregda entdeckten der Beamte und sein Kollege das Wohnmobil. Und gerieten in Lebensgefahr.

„Es fiel ein Schuss, wir haben unsere Waffen gezogen und sind in Deckung gegangen“, sagte der Polizist im Gericht. Nach zwei weiteren Schüssen „fing das Wohnmobil an zu brennen“. Was der Beamte damals noch nicht wusste: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten nach fast 14 Jahren im Untergrund den schnellen Tod gesucht. Als die Maschinenpistole, mit der einer der beiden den ersten Schuss aus dem Wohnmobil abgegeben hatte, eine Ladehemmung hatte, griff Uwe Mundlos, so beschreibt es die Bundesanwaltschaft,  zu einer ebenfalls mitgeführten Pumpgun. Mundlos schoss Böhnhardt in den Kopf, zündete das Wohnmobil an und richtete die Waffe gegen den eigenen Kopf.

Anlass für Spekulationen

Den grauenhaften Zustand der Leichen hatte am Mittwochvormittag bereits ein Gerichtsmediziner geschildert. Die Köpfe von Mundlos und Böhnhardt seien „explodiert“, sagte der Sachverständige. Und nannte Details, die eine Zeitung nicht drucken sollte.

Der dramatische Tod der beiden NSU-Mörder ist Anlass für Spekulationen. Bis hin zur Vermutung, eine dritte Person habe Mundlos und Böhnhardt umgebracht und sei dann verschwunden. Das scheint nicht mehr als dunkle Fantasie zu sein. Der Polizist, der mit seinem Kollegen das Wohnmobil gefunden hatte, sagte am Mittwoch, er habe da niemanden einsteigen gesehen noch sonst eine Person, die am  Fahrzeug dran war. Eine Nachfrage von Richter Götzl beantwortete der Polizist mit einem Wort: „nichts“.

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